ZIVILRECHT
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Namensrecht und Vertrauensschutz
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Führt jemand über lange Zeit auch in amtlichen Dokumenten einen
bestimmten Namen, so genießt er damit eine geschützte Position. Auch
wenn die Namenseintragung ursprünglich nicht korrekt gewesen sein mag,
kann dies nicht ohne Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht des
Betroffenen rückgängig gemacht werden. Dies hat die 3. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf die Verfassungsbeschwerde (Vb)
eines Deutschen indischer Herkunft festgestellt.
Der Beschwerdeführer (Bf), ein Angehöriger der Sikh-Religion, der den
Namenszusatz "Singh" führte, heiratete 1986 in Deutschland. Als Ehename
wurde "Singh" in das deutsche Familienbuch eingetragen. Nach der
Einbürgerung des Bf 1992 lautete sein Familienname in der
Einbürgerungsurkunde wie auch in Personalausweis und Reisepass
ebenfalls "Singh". Nach einer Scheidung heiratete der Bf in Indien
erneut, für diese Ehe wurde kein Ehename bestimmt. Eine gemeinsame
Tochter trägt sowohl im indischen Geburtsregister als auch im deutschen
Kinderausweis den Familiennamen "Singh".
Den Antrag des Bf, als Ehenamen "Singh" in das Familienbuch
einzutragen, lehnte das Amtsgericht 1996 ab. "Singh" sei als Ehename
nicht eintragungsfähig. Dies sei kein Familienname, sondern ein bloßer
Namenszusatz. Er weise bei Angehörigen der Sikh auf die
Religionszugehörigkeit und auf das Geschlecht hin, bei Männern mit der
Bedeutung "Löwe". Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte
letztinstanzlich diesen Beschluss.
Die Kammer hat die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts
aufgehoben, weil sie den Bf in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
verletzt und mit dem rechtstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes
nicht vereinbar ist. Das BVerfG bezieht sich auf Art. 2 Abs. 1 GG zur
Begründung im Wesentlichen darauf, dass der Name eines Menschen, der
Ausdruck der Identität und Individualität des Namensträgers ist, sich
als solcher nicht beliebig austauschen lässt. Eine Namensänderung
beeinträchtigt die Persönlichkeit und darf nicht ohne gewichtigen Grund
gefordert werden. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu
wahren. Dies gilt auch für den von einem Menschen tatsächlich geführten
Namen, nicht nur für den rechtmäßig erworbenen, sofern er auf die
Richtigkeit der Namensführung vertrauen durfte. Dagegen muss das
öffentliche Interesse an der Richtigkeit von Eintragungen in
Personenstandsurkunden abgewogen werden. Damit hat sich das
Oberlandesgericht nicht auseinandergesetzt. Da der Bf seit der
Eintragung in das Familienbuch im Jahre 1986 und damit über fast 11
Jahre als Familienname "Singh" geführt hat und verschiedene Behörden
zum Ausdruck gebracht haben, dass sie keinen Zweifel an seiner
Berechtigung zum Führen dieses Namens haben, ist für ihn ein rechtlich
schutzwürdiger Vertrauenstatbestand entstanden. Zugleich hat sich auch
eine Identität mit dem Familiennamen "Singh" gebildet. Unter diesem
Namen ist er, seit er in der Bundesrepublik Deutschland lebt, in seinem
sozialen Umfeld bekannt. Mit diesem Namen identifiziert er sich auch.
Das Oberlandesgericht wird nunmehr unter Berücksichtigung dieser
Persönlichkeitsrechte des Bf und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
eine erneute Abwägung dieser Belange mit dem öffentlichen Interesse an
der Richtigkeit von Eintragungen in Personenstandsurkunden vornehmen
müssen.
BVerfG, Beschluss vom 11. April 2001 - Az. 1 BvR 1646/97 -