BETäUBUNGSMITTELRECHT
Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen Verweigerung eines Drogenscreenings
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Verfassungsbeschwerden gegen die Entziehung einer Fahrerlaubnis
wegen Verweigerung eines Drogenscreenings
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat der
Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Beschwerdeführers (Bf) stattgegeben,
dessen Fahrerlaubnis entzogen wurde, nachdem er sich geweigert hatte,
ein behördlich angeordnetes Drogenscreening beizubringen. Die auf die
Entziehung der Fahrerlaubnis bezogenen Behörden- und
Gerichtsentscheidungen wurden aufgehoben. In einem anderen Fall
hingegen wurde die Vb nicht zur Entscheidung angenommen und die
Voraussetzungen für die Anordnung des Drogenscreenings wurden bejaht.
Im ersten Fall wurde der Bf 1994 anlässlich einer Einreise aus den
Niederlanden nach Deutschland einer polizeilichen Kontrolle unterzogen.
Dabei wurden fünf Gramm Haschisch gefunden. Der Beschwerdeführer kam
einer Aufforderung der Stadt Freiburg i.Br., ein Drogenscreening
vorzulegen, nicht nach. Daraufhin entzog die Stadt ihm die
Fahrerlaubnis. Rechtsmittel blieben erfolglos.
Nach heutigem wie nach früher geltendem Recht ist eine Fahrerlaubnis zu
entziehen, wenn sich der Erlaubnisinhaber zum Führen von
Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweist. Bei hinreichendem Verdacht des
Vorliegens erheblicher Eignungsmängel ist die zuständige Behörde
ermächtigt, dem Erlaubnisinhaber aufzugeben, bestimmte Gutachten über
seine Kraftfahreignung beizubringen (Drogenscreening). Die Missachtung
dieser Anordnung hat regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur
Folge.
Die Kammer stellt eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit des
Bf fest. Diese Freiheit erfasst auch das Führen von Kraftfahrzeugen im
öffentlichen Straßenverkehr. Der in dem Entzug der Fahrerlaubnis
liegende Eingriff in die Handlungsfreiheit war im vorliegenden Fall
verfassungswidrig, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß
der Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs stand. Es fehlte
nämlich als Grundlage der Überprüfung der Fahreignung ein hinreichender
Tatverdacht, der einen Eignungsmangel nahe legte. In Übereinstimmung
mit einer jüngeren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (NJW
2002, S. 78 <80>) geht die Kammer davon aus, dass der einmalige oder
nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr für sich
allein kein hinreichendes Verdachtselement bildet.
Zu dieser Einschätzung kommt die Kammer auf Grund von fachlichen
Stellungnahmen und gutachtlichen Äußerungen, die sie zu den Wirkungen
des Konsums von Cannabis, Alkohol und anderen bewusstseinsverändernden
Mitteln eingeholt hatte. Dazu führt die Kammer unter anderem aus: Der
Konsum von Cannabis könne die Fahreignung ausschließen. Die
Fahrtüchtigkeit einer Person sei im akuten Haschischrausch und während
der Dauer einer mehrstündigen Abklingphase aufgehoben. Nach heutiger
Erkenntnis bestehe in aller Regel aber kein Anlass zu der Befürchtung,
dass der einmalige oder gelegentliche Konsum von Haschisch bei den
Betroffenen zu einer anhaltenden fahreignungsrelevanten Absenkung ihrer
körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit führe. Bei einmaligem oder
gelegentlichem Haschischkonsum sei es auch nicht überwiegend
wahrscheinlich, dass der Betroffene eine drogenkonsumbedingte
zeitweilige Fahruntüchtigkeit nicht rechtzeitig erkennen oder dennoch
nicht von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr absehen könne.
Bei dieser Sachlage durfte die Fahrerlaubnis nicht allein auf der
Grundlage des einmalig festgestellten Haschischbesitzes und der
Weigerung, am Drogenscreening teilzunehmen, entzogen werden. Die Kammer
betont aber, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken an einer
Fahreignungsprüfung bestehen, wenn über den bloßen Besitz von Cannabis
hinaus konkrete tatsächliche Verdachtsmomente dafür ermittelt worden
sind, dass der Betroffene den Konsum von Cannabis und die aktive
Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag oder zu
trennen bereit ist. Dann kann weiterhin die aktive Mitwirkung des
Fahrerlaubnisinhabers verlangt und darf die Verweigerung zum Nachteil
des Betroffenen gewürdigt werden. In dem weiteren Fall hatte die
Polizei nicht nur Cannabisbesitz festgestellt, sondern auch die Reste
eines mit Haschisch versetzten Joints im Aschenbecher des Fahrzeugs
gefunden.
BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 - und
BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2002 - 1 BvR 2428/95 -