WETTBEWERBSRECHT
Erneute Aufhebung von Werbeverboten - Auslegung des § 1 UWG -
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Im Anschluss an die "Benetton"-Entscheidung, (s. Pressemitteilung
Nr. 156/2000 vom 12. Dezember 2000) hat die 1. Kammer des Ersten Senats
des Bundesverfassungsgerichts erneut Gerichtsentscheidungen aufgehoben,
in denen Geschäftsleuten gefühlsbetonte Werbung als sittenwidrig
angekreidet worden war.
Zum einen ging es um einen Beschwerdeführer (Bf), der mit synthetischen
Pelzen handelte. In seiner Werbung sprach er die Kunden als
Tierliebhaber an und bezeichnete die Käufer synthetischer Pelze als
Menschen mit Verstand, Herzensbildung und Moral. Zudem wies er auf die
Leiden von Tieren in Intensivzucht, Forschung und Herstellung von
Bekleidungsartikeln hin. Die Zivilgerichte sahen hierin eine
sittenwidrige gefühlsbetonte Werbung und einen das Sachlichkeitsgebot
missachtenden Warenartenvergleich.
Die zweite Verfassungsbeschwerde (Vb) bezog sich auf die Werbung einer
Optiker-Filiale. Die Bf hatte in einer Werbeanzeige für
Sonnenschutzgläser das Emblem der "Aktionsgemeinschaft Artenschutz"
untergebracht und darauf hingewiesen, dass sie die Aktionsgemeinschaft
Artenschutz unterstütze. Auch hierin sahen die Zivilgerichte eine
sittenwidrige gefühlsbetonte Werbung.
Beide Entscheidungen sind vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben
worden. In der Begründung führt die Kammer aus, dass die beanstandeten
Aussagen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. Die Gerichte
haben bei der Auslegung des § 1 UWG - der als allgemeines Gesetz die
Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt - dies
nicht hinreichend beachtet. Zwar beanstandet die Kammer nicht, dass die
Fachgerichte beide Werbeauftritte als Ansprache an das Gefühl bewertet
haben. Dies reicht jedoch für die Feststellung der Sittenwidrigkeit
nicht aus. Es muss vielmehr konkret festgestellt werden, dass durch die
Ansprache an das Gefühl der Leistungswettbewerb als Schutzgut des
Wettbewerbsrechts gefährdet wird. An diesen Feststellungen fehlt es.
Insbesondere ist nicht nachvollziehbar dargelegt, warum es im
Wettbewerb als unbedenklich gilt, etwa den Glanz gesellschaftlicher
Prominenz oder das Versprechen sportlicher Anerkennung als Kaufanreiz
für bestimmte Produkte zu nutzen, andererseits aber z.B. ein Appell an
das Mitgefühl mit Tieren die Grenzen des Zulässigen überschreitet.
BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2002 - Az. 1 BvR 952/90 u.a. -