EUROPARECHT
EuGH kippt Vorratsdatenspeicherung wegen besonders schwerwiegendem Eingriff in die Grundrechte
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Eine Abspeicherung von Telekommunikationsdaten „auf Vorrat“ wird es zumindest in nächster Zeit in der EU nicht geben, solange die dafür gedachte Richtlinie nicht an vielen Stellen angepasst wird.
Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die von der EU veranlasste Richtlinie (Richtlinie 2006/24/EG) zur Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität aus dem Jahr 2006 als unzulässig eingestuft, Urteil vom 08.04.2014, Az.: C 293/12, C-594/12. Da aus den abgespeicherten Daten unter anderem hervorgeht, welche Person mit wem für wie lange und an welchem Ort über welches Medium kommuniziert hat, liegt ein „besonders schwerwiegender Eingriff“ in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten vor.
Ohne einen konkreten Verdacht sollten EU-Bürger überwacht werden
Nach der vor nationalen Gerichten eingereichten Klage einer irischen Bürgerrechtsorganisation, der Landesregierung Kärnten und einiger tausend Österreicher wegen der unverhältnismäßigen Speicherung, die die Grundrechte auf Privatleben und Datenschutz verletze, hatten der irische High Court und der österreichische Verfassungsgerichtshof den EuGH angerufen die strittige Richtlinie zu überprüfen. Nach der Entscheidung vom Dienstag sind die EU-Mitgliedsstaaten nun nicht mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
Die Daten sollten auf „Vorrat“, also zunächst ohne konkreten Anlass von den jeweiligen Telekommunikationsunternehmen abgespeichert werden, um möglicherweise in der Zukunft begangene Straftaten nachträglich aufklären zu können.
BVerfG hatte die Speicherung bereits vor einigen Jahren für Deutschland verboten
In Deutschland hat es bisher noch keine Vorratsdatenspeicherung auf Grundlage der EU-Richtlinie. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 2010 die verdachtslose Vorratsdatenspeicherung für unzulässig erklärt und eine Löschung bis dahin vorhandener Daten angeordnet (Az.: 1 BvR 256/08). Die Bundesrepublik wurde aufgrund der Nichtumsetzung der Richtlinie sogar von der Europäischen Kommission vor dem EuGH verklagt
Gefühl der ständigen Beobachtung
In Luxemburg ist man der Ansicht, die Regelung beinhalte „einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt“. Ähnlich wie damals die Ausführungen der deutschen Verfassungsrichter („diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins“) sieht der EuGH die Gefahr, dass die Datenspeicherung ein Gefühl der ständigen Überwachung des Privatlebens hervorrufen kann.
Zwar diene die Vorratsdatenspeicherung auch dem Allgemeinwohl, da diese geeignet ist schwere Kriminalität zu bekämpfen.
Eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit führte jedoch zu dem Ergebnis dass die Menschenrechte zu stark beeinträchtigt werden. Auch seien durch die Datenspeicherung genaue Schlüsse auf das Privatleben eines jeden Bürgers möglich, so der EuGH.
Dauer der Speicherung ebenfalls unzulässig
Nach der Richtlinie war die Speicherung der Daten über einen Zeitraum von sechs Monaten vorgesehen. Diese Frist war nach Ansicht der Richter zu lang und würde zudem einer Unterscheidung der verschiedenen Kategorien von Daten verlangen.
Bereits im Dezember hatte ein zuständiger Gutachter des Gerichtshofs den Nachbesserungsbedarf der EU-Richtlinie erklärt.