EUROPARECHT
Journalisten dürfen versteckte Kameras einsetzen
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Straßburg (jur). Journalisten dürfen für ihre Recherchen auch Nicht-Prominente mit versteckten Kameras filmen. Bei wichtigen Themen überwiegt das öffentliche Interesse gegenüber den Persönlichkeitsrechten der unwissend gefilmten Personen, urteilte am Dienstag, 24. Februar 2015, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Az.: 21830/09). Mit ihrem ersten Urteil zu einem solchen versteckten Kameraeinsatz gaben die Straßburger Richter vier Journalisten des Schweizer Fernsehens recht.
2003 produzierte die Verbraucherschutzsendung „Kassensturz“ einen Beitrag über häufige Fehlberatungen durch Versicherungsvertreter. Eine Redakteurin spielte eine interessierte Kundin. So wurde am 26. Februar ein Verkaufsgespräch von versteckten Kameras aufgenommen und dann durch einen Versicherungsexperten kommentiert. Nach dem Beratungsgespräch wurde der Vertreter über die Aufnahmen informiert und er erhielt Gelegenheit zu einer Stellungnahme.
Wegen des verdeckten Kameraeinsatzes wurden die zwei beteiligten Redakteurinnen sowie zwei Programmverantwortliche Journalisten zu Geldstrafen zwischen zuletzt 120 und 4.200 Schweizer Frankien verurteilt. In oberster Instanz bestätigte dies auch das Schweizerische Bundesgericht: Trotz des unbestrittenen öffentlichen Interesses an dem Thema hätten die Journalisten nicht die Privatsphäre des Versicherungsvertreters verletzen dürfen.
Mit ihrer Klage vor dem EGMR machten die Fernsehjournalisten eine Verletzung der Meinungsfreiheit geltend.
Der EGMR gab ihnen recht. Dabei betonten die Straßburger Richter, dass die unzureichende Beratungsqualität durch private Versicherungsvertreter Gegenstand einer breiten und äußerst interessanten öffentlichen Debatte gewesen sei. Auch sei es den Journalisten nicht darum gegangen, den einzelnen Vertreter persönlich, sondern die Beratungspraxis insgesamt zu kritisieren. Bei der Ausstrahlung seien daher Stimme und Gesicht des Versicherungsvertreters unkenntlich gemacht worden.
Unter solchen Umständen sei der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Versicherungsvertreters gering. Das Interesse an dem Fernsehbeitrag wiege daher deutlich schwerer, urteilte der EGMR. Die Geldstrafen seien hier zwar recht milde ausgefallen. Dennoch könnten solche Strafen Journalisten von einer kritischen Berichterstattung abhalten.
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