RECHT ALLGEMEIN
Polnische Handwerker: Lohnsteuerhaftung trotz Gewerbe?
Autor: Herr Paul Witkowski - Dolmetscher (beeidigt) und Übersetzer (ermächtigt)
Polnische Handwerker: Lohnsteuerhaftung trotz Gewerbe?
1. Problemaufriss
Die Dienstleistungsfreiheit ist in bestimmten Dienstleistungssektoren (Baugewerbe einschließlich der verwandten Wirtschaftszweige, Reinigung von Gebäuden, Innendekoration), in Deutschland eingeschränkt.
Die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für polnische Arbeitnehmer gilt erst ab dem 01.05.2011.
Richtig ist allerdings, dass sich ein polnischer Handwerker hinsichtlich der Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit auf die Dienstleistungsfreiheit stützen kann (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.07.2010, Az.: 1 AL 158/10 B ER - juris).
In der Regel melden sich polnische Handwerker unmittelbar nach der Einreise von Polen nach Deutschland als Selbständige im zulassungsfreien Gewerbe als Fliesenleger, Estrichleger und Trockenbauer an. Dabei müssen sie selbst und auch ihre Auftraggeber beachten, dass polnische Handwerker trotz Gewerbeanmeldung und einer USt - Identifikationsnummer im Fall einer Lohnsteueraußenprüfung als Arbeitnehmer in einem abhängigen Dienstverhältnis eingestuft werden können (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.10.2009, Az.: 7K3109/07 H (L) - juris).
In diesem Fall haftet der Arbeitgeber für die an das Finanzamt nicht abgeführten Lohnsteuerbeträge gem. § 42d Abs.1 Nr.1 EStG in Verbindung mit § 191 Abs.1 AO.
2. Rechtliche Abgrenzung zwischen selbständiger und
nichtselbständiger Tätigkeit
Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen der Lohnsteuerdurchführungsverordnung und dem EStG liegt ein anhängiges Dienstverhältnis, das den Arbeitgeber zur Abführung der Lohnsteuer verpflichtet, vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist dies dann der Fall, wenn die tätige Person
• in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung
des Arbeitgebers steht - oder -
• im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers verpflichtet ist, dessen
Weisungen zu folgen (BFHE 144, 225).
Für die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist deshalb anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.
Ob die polnischen Handwerker in arbeitsrechtlichem und sozialversicherungsrechtlichem Sinne Arbeitnehmer sind, ist für das Verfahren wegen Lohnsteuerhaftung vor dem Finanzgericht unbeachtlich! (vgl. BFHE 126,45).
Für die Einordnung der polnischen Handwerker (Fliesenleger, Fuger, Trockenbauer etc.)
als Arbeitnehmer oder selbständige Gewerbetreibende ist in erster Linie die tatsächliche Durchführung der Leistungsbeziehungen zwischen den Handwerkern und dem Auftraggeber entscheidend (Finanzgericht Düsseldorf, a.a.O.).
Im Einzelnen hat die Rechtsprechung folgende Indizien genannt, die für ein unselbständiges - und damit lohnsteuerbegründendes - Dienstverhältnis sprechen:
2.1. Zeitraumbezogene Abrechnung
Zeitraumbezogene Abrechnungen sind typisch für ein Arbeitsverhältnis Im konkreten Fall wurden die Rechnungen jeweils zum ersten des Monats erstellt und rechteten über den Vormonat ab.
2.2. Gleichbleibende Höhe der monatlich abgerechneten Beträge
Diese monatliche Abrechnungsweise zeigt, dass die Handwerker insoweit kein unternehmerisches Risiko tragen, denn sie können - unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt eine Arbeit abgeschlossen war und unabhängig davon, ob das Ergebnis ihrer Arbeit zu beanstanden war oder nicht - bereits dann mit monatlich gleichbleibenden Zahlungseingängen rechnen, wenn sie ihre Arbeitskraft in dem Monat zur Verfügung stellen. Im Gegensatz dazu erteilt ein selbständiger Unternehmer mit Abschluss eines Auftrages eine Abschlussrechnung (Finanzgericht Düsseldorf, a.a.O.).
2.3. Keine Abnahme durch den Auftraggeber
Auch wenn polnische Handwerker und der Auftraggeber die gemeinsame Vereinbarung als „Werkvertrag" bezeichnen, liegt ein solcher tatsächlich gar nicht vor, wenn die Gewerke der jeweiligen Handwerker nicht abgenommen werden. Ein Werklohn wird nämlich erst nach der Abnahme des Werkes durch den Auftraggeber fällig. Wenn der Auftraggeber stattdessen monatliche Zahlungen leistet, so ist dies als Indiz für ein abhängiges Dienstverhältnis zu werten.
2.4. Kein fest umrissener Leistungsgegenstand
In Abgrenzung zum Dienstvertrag ist beim Werkvertrag nicht die Arbeitsleistung als solche geschuldet, sondern es ist die Herbeiführung eines fest umrissenen Leistungsgegenstands erforderlich (BGH, NJW 2000, 1107).
Der fest umrissene Leistungsgegenstand muss im Vertrag eindeutig bestimmt werden.
Ggf. müssen Maßeinheiten (Quadratmeter etc.) ersichtlich sein. Es muss bestimmt sein, welche vertraglich zugesicherte Eigenschaft die jeweilige Leistung haben sollte.
Die vage Vereinbarung „fliesen von Bad Wand und Boden, Küche, Diele etc. ..."
ist dafür nicht ausreichend (Finanzgericht Düsseldorf, a.a.O.).
2.5. Keine Bemühungen der Handwerker um weitere Aufträge von dritter Seite
Eine eher laufende Tätigkeit statt der Erbringung eines von vornherein abgestimmten fest umrissenen Leistungsgegenstands ist typisch für ein nichtselbständiges Dienstverhältnis (BGH NJW 2002, 595). Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn sich die polnischen Handwerker während des relevanten Zeitraums nicht um Aufträge von dritter Seite bemühen, weil ihre gesamte Arbeitskraft von einem einzigen Auftraggeber in Anspruch genommen wird.
2.6. Auftraggeber holt keine Angebote anderer (selbständiger) Handwerker ein
Dafür besteht kein Bedarf, wenn allen Beteiligten klar ist, für welche Arbeiten in welcher Höhe (Pauschalpreisvereinbarungen) monatlich abgerechnet werden kann. Auch dieser Umstand spricht für das Vorliegen eines abhängigen Dienstverhältnisses.
3. Fazit
Die rechtliche Problematik der Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit - und damit zugleich die Abschätzung des Risikos für den Auftraggeber polnischer Handwerker, bei einer Lohnsteueraußenprüfung in Haftung genommen zu werden - ist deshalb so schwierig, weil sich der gesetzliche Arbeitnehmerbegriff nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen lässt. Es findet vielmehr eine Abwägung der Merkmale statt, die für oder gegen eine selbständige Tätigkeit sprechen. Das wiederum bringt Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten mit sich.
Die Zollermittler schauen vor allem darauf, ob und inwieweit die polnischen Handwerker in das Unternehmen des Auftraggebers eingegliedert sind. Kritisch sind die Fälle zu bewerten, wenn der Auftraggeber wochenlang den Einsatz der polnischen Handwerker bestimmt (Finanzgericht Düsseldorf a.a.O.).
Um das Risiko einer Lohnsteuerhaftung des Auftraggebers polnischer Handwerker zu minimieren, müssen vor allem die Verträge zwischen den Beteiligten den gesetzlichen Anforderungen eines Werkvertrages entsprechen. Dazu ist vor allem der Leistungsgegenstand so präzise wie möglich zu bestimmen. Ferner müssen Abnahmeprotokolle geführt werden. Es muss durch äußere Merkmale erkennbar sein, dass sich der polnische Handwerker nicht an seinen Auftraggeber binden will.
Die Übergänge von einer „langen Geschäftsbeziehung" zu einer abhängigen - und somit lohnsteuerbegründen - Beschäftigung sind hier fließend. Die polnischen Handwerker müssen am Markt für andere potentielle Kunden präsent sein.
Die Auftraggeber hingegen müssen bei einer Lohnsteueraußenprüfung beweisen können, dass sie Angebote und Kostenvoranschläge anderer selbständiger Handwerker eingeholt haben.
Dipl.-Jur. Paul Witowski
Am Plessenfelde 8, 30659 Hannover
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