RECHT ALLGEMEIN
Selbständige aus Polen: Probleme mit der Krankenversicherung
Autor: Herr Paul Witkowski - Dolmetscher (beeidigt) und Übersetzer (ermächtigt)
Selbständige aus Polen: Probleme mit der Krankenversicherung
Gut 4 Jahre nach Einführung der Krankenversicherungspflicht in Deutschland sind viele Bürger nicht krankenversichert. Dies betrifft im hohen Maße die Selbständigen aus dem EU Ausland (z.B. Polen), da sie keinen Arbeitgeber haben, der sie zur Krankenversicherung meldet. Ohne Startkapital melden sie in Deutschland ein Gewerbe an. Vom erwirtschafteten Gewinn müssen Miete und die laufenden Lebenshaltungskosten bezahlt werden. Das Thema Krankenversicherung und die damit verbundene Beitragspflicht werden nicht selten erstmal „ausgesessen“, da die Beiträge zur Krankenversicherung ein recht großes Loch ins knappe Budget reißen. Viele polnische Gewerbetreibende in Deutschland behelfen sich damit, dass sie sich während ihres Urlaubs in Polen privat medizinisch versorgen lassen.
Akut wird das Problem der Nichtversicherung oftmals erst dann, wenn es zu einer medizinischen Notversorgung in Deutschland kommt und sich nach der Versorgung die Frage stellt, wer für die Behandlungskosten (nicht selten mehrere hundert oder mehrere tausend Euro) zu tragen hat.
Die Nichtversicherung wird auch dann ersichtlich, wenn aus einem zuvor in der gesetzlichen Krankenversicherung fiktiv freiwillig Versichertem ein Fall des Pflichtversicherten wird. Dies ist der Fall bei einem Statuswechsel von der Selbständigkeit in die abhängige Beschäftigung oder bei Aufgabe der Selbständigkeit (länger als 1 Jahr) und die Aufnahme in das soziale Sicherungssystem des SGB II (Hartz IV).
Zur Veranschaulichung dient der folgende Beispielsfall:
Herr B. reist im Jahr 2006 aus Polen nach Deutschland ein und meldet in Krefeld ein Gewerbe an. In Krefeld wird er Mitglied in einer privaten Krankenkasse. Nachdem die Geschäfte nicht mehr laufen, zahlt er die monatlich fälligen Versicherungsprämien an die private Krankenversicherung nicht mehr. Im Jahr 2010 beschließt er, nach Hannover zu ziehen und nimmt dort eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung an. Als Arbeitnehmer wird er in einer gesetzlichen Krankenversicherung (AOK) pflichtversichert. Derweilen eröffnet das Ordnungsamt der Stadt Hannover ein Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Androhung von Bußgeld gegen Herrn B.
In der Anhörung heißt es zum Tatvorwurf wie folgt:
„Von dem Versicherungsunternehmen (Bezeichnung der „früheren privaten Krankenkasse des Herrn B. wurde mitgeteilt, dass Sie in dem Zeitraum (…) mit der Zahlung der Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung in Verzug waren.
Gemäß § 121 Abs.1 Nr. 6 SGB XI handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig mit der Entrichtung von sechs Monatsprämien zur privaten Pflegeversicherung in Verzug ist. (…)“
Rechtliche Bewertung mit aktueller Rechtsprechung des BGH
Entscheidend ist die gesetzliche Verortung dieses Problems. Dieses liegt im Kapitel 8 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), § 205 Abs.6. Diese Vorschrift lautet wie folgt:
§ 205 Kündigung des Versicherungsnehmers
(…)
Absatz 6: Abweichend von den Absätzen 1 bis 5 kann der Versicherungsnehmer eine Versicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. Die Kündigung wird erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist.
Das bedeutet: Solange Herr B. seinen ständigen Aufenthalt in Deutschland hat, kann er seine private Krankenversicherung nicht ohne Weiteres kündigen, selbst wenn er keine Leistungen der privaten Krankenversicherung in Anspruch nimmt und auch keine Versicherungsbeiträge zahlt. Er bleibt trotzdem Mitglied der Krankenversicherung und die Versicherungsbeiträge werden Monat für Monat fällig.
In seinem neuen Urteil vom 12.09.2012 (Az. IV ZR 258/11) hat der BGH aktuell entschieden, dass die Kündigung des Versicherungsnehmers erst wirksam wird, wenn er nachweist, dass er bei einem neuen Versicherer (hier: AOK) ohne Unterbrechung versichert ist. (…) Die rechtzeitige eines Anschlussversicherungsnachweises ist ein Umstand, für den der Versicherungsnehmer zu sorgen hat. Die Gefahr des Bestehens einer zeitweisen Doppelversicherung fällt in seine Spähe. (BGH, NJW 2013, 57 – 59).
Fazit
Der Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung ist der privaten Krankenversicherung sofort anzuzeigen, um nicht doppelte Beiträge zahlen zu müssen.
Das Risiko einer verspäteten Kündigung trägt nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich der Versicherte und nicht die gekündigte Krankenversicherung.
Dipl.-Jur. Paul Witkowski
Am Plessenfelde 8, 30659 Hannover, paul.witkowski@gmx.net