ARBEITSRECHT
Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter und gleichgestellter Arbeitnehmer
Autor: Volker Backs LL.M. - Rechtsanwalt
Besteht Sonderkündigungsschutz auch schon, wenn nur der Antrag auf Gleichstellung gestellt ist?
Grundsätzlich ist die Kündigung eines schwer behinderten Arbeitnehmers unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt, § 85 SGB IX. Schwerbehindert im Sinne der §§ 68 ff. SGB IX sind Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 % vorliegt. Ist der Arbeitnehmer bereits als schwerbehindert anerkannt, § 69 Abs. 1,2 SGB IX, so bedarf die Kündigung der Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt auch, wenn seine Schwerbehinderung trotz fehlender Anerkennung offenkundig ist. Auch wenn der Schwerbehinderte nach § 2 III SGB IX einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist muss die Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung eingeholt werden.
Dies gilt auch schon dann, wenn der Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde. Dies hat zur Folge, dass die Anhörung des Integrationsamt entbehrlich ist, wenn der Antrag weniger als drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde und die Schwerbehinderung nicht festgestellt ist oder offenkundig war.
Aber Vorsicht ist geboten, denn über einen solchen Antrag muss noch nicht zwingend entschieden worden sein. Wurde der Antrag rechtzeitig gestellt und darüber noch nicht rechtskräftig entschieden, ohne dass dies auf ein Versäumnis des Antragstellers zurückzuführen ist, so gilt das Zustimmungserfordernis trotzdem.
Was passiert jedoch im Falle eines Gleichstellungsantrages, wenn also ein Arbeitnehmer einen GdB von weniger als 50 % und einen Antrag auf Gleichstellung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 1. März 2007,2 AZR 2 W 17/06) klargestellt:
Auch in diesen Fällen ist darauf abzustellen, dass der Antrag rechtzeitig, nämlich mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt werden muss und nicht aus Gründen, die vom Arbeitnehmer zu vertreten sind, über den Antrag noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Es gilt also nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch im Falle der Gleichstellung die Fristenregelung des § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, so dass auch bei einem Antrag auf Gleichstellung Sonderkündigungsschutz besteht, wenn die obigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Fazit
Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist klargestellt, dass auch in Fällen der Gleichstellung bei rechtzeitiger Antragstellung Sonderkündigungsschutz bestehen kann und es der Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet dies gleichermaßen, sich im Falle einer drohenden oder erforderlichen Kündigung vom spezialisierten Fachanwalt beraten zu lassen, wenn die Thematik Schwerbehinderung im Raume stehen könnte, insbesondere auch dann, wenn im Betrieb ein Betriebsrat besteht. Die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes hat weitreichende negative Folgen für den Arbeitgeber, die vermieden werden können.
Volker Backs LL.M.
Rechtsanwalt
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