RECHT ALLGEMEIN
Strafverteidigung: Übersetzungskosten als Schadensarsatz gegen die Staatskasse
Autor: Herr Paul Witkowski - Dolmetscher (beeidigt) und Übersetzer (ermächtigt)
1. Problemaufriss
Wenn gegen einen polnischen Staatsangehörigen ein Strafbefehl ergeht oder er Adressat einer Strafanzeige wird, ist es nicht selten der Fall, dass er den Inhalt des Schreibens nicht nachvollziehen kann und damit eine effektive Strafverteidigung von Beginn an problematisch erscheint.
Oft stellt es sich aber so dar, dass der betroffene Beschuldigte das Schreiben der Polizeibehörde, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zwar sprachlich versteht, er jedoch einen beeidigten Übersetzer für Polnisch aufsucht, um eine Stellungnahme in seiner Muttersprache abgeben zu können. Beim Abfassen der eigenen Aussage in der Muttersprache kann ein berechtigtes Risiko ausgeräumt werden, dass er sprachlich missverstanden wird und sein Verteidigungsvorbringen nicht entsprechend gewürdigt wird. Zwar kann der Betroffene sich direkt an die Polizeibehörde zwecks Dolmetscherbedarf wenden, jedoch ist die Hemmschwelle bei den Betroffenen meistens zu groß.
Falls der Betroffene einen Übersetzer für Polnisch aufsucht, stellt sich die Frage, wer die Kosten der Übersetzung deutsch - polnisch trägt. Der Übersetzer kann jedenfalls nicht die Kosten gegenüber der jeweils zuständigen Polizeibehörde geltend machen, wenn er von ihr keinen expliziten Auftrag zum Übersetzen bzw. Dolmetschen bekommen hat.
Es stellt sich nun die Frage, ob ein Übersetzer für Polnisch seine eigene Übersetzerleistung (beispielsweise für die Übersetzung einer Strafanzeige oder eines Strafbefehls aus der deutschen in die polnische Sprache oder aber die Übersetzung der Aussage des Beschuldigten aus der polnischen in die deutsche Sprache) dem zuständigen Gericht nach den gesetzlichen Vergütungssätzen des JVEG in Rechnung stellen kann.
2. Rechtslage
Der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Hannover (Az.:560 S 38/08) vertritt dazu folgende Rechtsansicht:
Gem. Art 6 EMRK hat jeder Angeklagte Anspruch auf ein faires Verfahren, woraus u.a. folgt, dass Schriftstücke, auf die er zur Vorbereitung und Durchführung seiner Verteidigung angewiesen ist, von der ihm verständlichen Sprache (hier polnisch) in die Amtssprache übersetzt werden, soweit hierfür ein Bedürfnis zu erkennen ist.
Auf diesem Grundsatz beruht u.a. Nr. 9005 Abs. 4 Anlage 1 GKG.
Danach dürfen auch von dem ansonsten kostenpflichtig Verurteilten solche Dolmetscher - und Übersetzerkosten, die in dem vorstehend geschilderten Kontext entstanden sind, nicht zur Zahlung aufgegeben werden.
Zwar ist eine Norm, die dem Betroffenen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens einen Anspruch auf Erstattung eigener Dolmetscher- oder Übersetzerauslagen zuspricht, nicht eingeführt.
Ungeachtet dessen wird jedoch anzuerkennen sein, dass Art.6 EMRK auch dem Verurteilten einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen zuschreibt, die ihm entstanden sind, weil die Justiz Übersetzungen nicht auf eigene Kosten hat anfertigen lassen, auf die der Betroffene im Sinne einer effektiven Verteidigung angewiesen wäre.
Da die verfahrensrechtlichen Vorschriften weder direkt einen derartigen Erstattungsanspruch zuerkennen noch die Möglichkeit für eine entsprechende
Auslagengrundentscheidung schaffen, bleibt insoweit nur die Geltendmachung als Schadensersatzanspruch.
3. Fazit
Der Schadensersatzanspruch ist konkret auf §§ 677, 683 S.1, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) zu stützen. Nichtsdestotrotz bleibt die Durchsetzung Anspruchs schwierig, denn aus der Aktenlage ist oft nicht ersichtlich, ob der Betroffene polnische Staatsangehörige sich in der deutschen Sprache verständlich äußern kann und ob ein Übersetzer für die polnische Sprache erforderlich ist. Allein die polnische Staatsangehörigkeit des Beschuldigten muss jedoch für die Hinzuziehung eines Übersetzers ausreichen.
Da das zuständige Gericht die Übersetzungskosten jedoch grundsätzlich auch nur nach einer expliziten Beauftragung anerkennt, sollte der Übersetzer neben seiner Abrechnung auch die oben genannte Rechtsauffassung des Bezirksrevisors anführen.
Dipl.-Jur. Paul Witkowski
Am Plessenfelde 8, 30659 Hannover
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