STRAFRECHT
Urteil Landgericht Mannheim vom 31. Mai 2011 im Fall Kachelmann (Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung)
Autor: Thomas M. Amann - Rechtsanwalt
Freispruch für Jörg Kachelmann. Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim hat den Angeklagten Jörg Kachelmann heute vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und beschlossen, dass der Angeklagte für die erlittene Untersuchungshaft sowie für die aus den Durchsuchungen und Beschlagnahmen entstandenen Schäden zu entschädigen ist.
Das Gericht sah anders als die Staatsanwaltschaft nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld des Angeklagten und sprach ihn nach dem Grundsatz in dubio pro reo (= im Zweifel für den Angeklagten) frei. Damit folgte das Gericht dem Antrag der Verteidiger Johann Schwenn aus Hamburg und Andrea Combé aus Heidelberg.
Die Nebenklägerin und die Staatsanwaltschaft Mannheim haben nun die Möglichkeit, das Urteil binnen einer Woche mit dem Rechtsmittel der Revision anzufechten. Über die Revision hätte dann der Bundesgerichtshof in Strafsachen zu entscheiden.
Nach § 177 StGB (Strafgesetzbuch) und mithin wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung macht sich strafbar und wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wer eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen. Dabei ist in besonders schweren Fällen die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder unter anderem eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist hingegen zu erkennen, wenn der Täter unter anderem bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet.
Zu den vorangegangenen Informationen ist allerdings zwingend stets zu beachten, dass diese kurzen Ausführungen lediglich einen ersten groben Überblick über über strafrechtliche Ermittlungsverfahren in diesen Fällen geben und in keinem Fall eine individuelle Rechtsberatung ersetzen können, da jeder Fall in Bezug auf seinen Verfahrensablauf, seine primären (bspw. Geldstrafe oder Haftsrafe) und sekundären Rechtsfolgen (bspw. Eintrag Führungszeugnis, Berufsverbot, Entzug Führerschein, Kündigung Arbeitgeber, Verlust Sorgerecht, Verlust Zuverlässigkeit, Verlust Lizenz, Verlust Zulassung oder Verlust Approbation) grundsätzlich anders gelagert und damit anders zu handhaben ist.
Besonders in diesen Strafverfahren kann umso mehr erreicht werden, je früher ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt aus dem Rechtsgebiet Strafrecht eingeschaltet wird. Der Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger wird das bestehende strafrechtliche Problem sorgfältig mit seinem Mandanten erörtern und gemeinsam mit ihm risikominimierende Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Erlangen zudem der Arbeitgeber, Dienstherr oder eine zuständige Kammer auf die eine oder andere Art Kenntnis von einem laufenden Ermittlungsverfahren, sind unverzüglich die dienstrechtliche bzw. die arbeitsrechtliche Situation anwaltlich zu prüfen und ggf. geeignete (Gegen-) Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und zur Sicherung der Existenz bzw. Lebensgrundlage einzuleiten. Nicht jedes Strafverfahren berechtigt den Arbeitgeber zu einer Kündigung, einer Suspendierung oder zum Entzug einer Zulassung.
Zu jedem Zeitpunkt des Strafverfahrens, also im Vorverfahren (Ermittlungsverfahren), Zwischenverfahren und in der Hauptverhandlung und in jeder Instanz, hat der Beschuldigte das Recht, sich von einem Verteidiger seiner Wahl vertreten zu lassen. Auch in der Strafvollstreckung darf sich der Verurteilte jederzeit rechtlichen Beistandes bedienen.
Dem Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren rechtlichen Beistand gewähren die im Bereich Strafrecht und Strafverteidigung spezialisierten Rechtsanwälte und Strafverteidiger. Rechtsanwälte haben dabei die gleiche juristische Ausbildung wie Staatsanwälte und Richter. Voraussetzung für die Zulassung als Rechtsanwalt ist die Befähigung zum Richteramt, also die Ausbildung zum Volljuristen. Anwälte müssen nach Abschluss ihrer Ausbildung durch die Rechtsanwaltskammer, in deren Bezirk sie sich niederlassen wollen, zugelassen werden und sind bei Gericht in die Rechtsanwaltsliste einzutragen. Im Diensteid vor der Rechtsanwaltskammer müssen sich Rechtsanwälte verpflichten, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und die Pflichten eines Rechtsanwalts gewissenhaft zu erfüllen. Die im Bereich Strafrecht spezialisierten und als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwälte sind neben den Staatsanwaltschaften und den Gerichten unabhängige, selbständige Organe der Rechtspflege. Der Strafverteidiger ist dabei dem Gericht und der Staatsanwaltschaft gleichgeordnet. Er ist aber nicht Teil des Gerichtes oder der Staatsanwaltschaft, sondern unabhängig von diesen. Dies bedeutet insbesondere, dass er nicht an Weisungen durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft gebunden ist.