NACHBARSCHAFTSRECHT
Zu den Voraussetzungen eines duldungspflichtigen Überbaus
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
Nachbarrecht
Informationen zum Sachverhalt:
Die Kläger und der Beklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Unterfranken. Die Kläger haben das ihnen gehörige Grundstück vom Voreigentümer im August 1994 erworben. Zu diesem Zeitpunkt war auf dem Nachbargrundstück des Beklagten bereits ein Erweiterungsbau im Rohbau vorhanden. Der vormalige Eigentümer des klägerischen Grundstücks hatte dem Erweiterungsbau privatschriftlich zugestimmt. Der Erweiterungsbau überschreitet die zulässigen Abstandsflächen um bis zu zwei Meter.
Mit ihrer Klage haben die Kläger begehrt, das ohne Baugenehmigung errichtete Erweiterungsanwesen auf dem Nachbargrundstück zu beseitigen.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg:
Mit Urteil vom 3. Februar 2004 hat der 5. Senat des Oberlandesgerichts Bamberg die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dass die Kläger zur Duldung des Überbaus privatrechtlich verpflichtet sind. Die Voraussetzungen der Duldungspflicht ergeben sich vorliegend analog § 912 BGB. Die Nichteinhaltung der Abstandsflächen nach der bayerischen Bauordnung sind in gleicher Weise nach § 912 BGB zu dulden wie der tatsächliche Überbau über die Nachbargrenze.
Die Duldungspflicht ergebe sich vorliegend einerseits daraus, dass der vormalige Eigentümer des klägerischen Grundstücks dem Erweiterungsüberbau privatschriftlich zugestimmt habe. Dies macht den Überbau zwar nicht rechtmäßig, begründet aber eine Duldungspflicht des Nachbarn.
Zudem war im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs der Kläger der überbauende Erweiterungsbau bereits im Rohbau vorhanden, woraus sich in Verbindung mit der im Zeitpunkt der Errichtung vorliegenden Zustimmung des ehemaligen Eigentümers ein Pflicht der Kläger zur Duldung der Beeinträchtigung ihres Eigentums begründet.
Die Frage einer aus dieser Duldungspflicht entstehenden Entschädigung in Form einer monatlich zu zahlenden Geldrente musste der erkennende Senat nicht entscheiden, weil dies nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war. Eben so wenig war etwaiges baupolizeiliches Einschreiten seitens der Baubehörden Gegenstand dieses Zivilverfahrens.
Aktenzeichen: 5 U 181/03 OLG Bamberg
Vorinstanz: 1 O 73 / 03 LG Aschaffenburg
§ 912 BGB lautet: „Überbau; Duldungspflicht
Abs. 1: Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.
Abs. 2: Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.“