ARBEITSRECHT
Zum Praxisschild des Zahnarztes
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Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat in zwei Fällen Urteile
aufgehoben, mit denen Zahnärzten verboten worden war, ihren
Tätigkeitsschwerpunkt "Implantologie" auf dem Praxisschild zu
verlautbaren.
1. Die Beschwerdeführer (Bf) sind Zahnärzte, denen vom Bundesverband
der niedergelassenen implantologisch tätigen Zahnärzte in Deutschland
e. V. (BDIZ) ein Zertifikat über den Nachweis besonderer Kenntnisse und
Fähigkeiten im Bereich der oralen Implantologie erteilt wurde. Sie sind
seit vielen Jahren auf diesem Gebiet tätig und erwirtschaften ein
Viertel oder sogar etwa die Hälfte des Honoraraufkommens mit
implantologischen Leistungen. Auf Briefbögen und dem Praxisschild
führten sie den Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie".
Das Landesberufsgericht für Zahnärzte in Baden-Württemberg hat wegen
berufsunwürdigen Verhaltens und eines Verstoßes gegen das
berufsrechtliche Werbeverbot Geldbußen gegen die Bf verhängt.
2. Die Verfassungsbeschwerden (Vb) gegen diese Verurteilungen sind
erfolgreich, weil die Urteile auf einer grundsätzlich unrichtigen
Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit
(Art. 12 Abs. 1 GG) beruhen. Das Rechtsgut der Gesundheit der
Bevölkerung und das hierdurch veranlasste Werbeverbot, das eine
gesundheitspolitisch unerwünschte Kommerzialisierung des Arztberufes
vermeiden soll, rechtfertigen es nicht, alle Angaben und Zusätze auf
dem Praxisschild außer den in der Berufsordnung ausdrücklich
zugelassenen ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck oder ihren
Informationswert generell zu verbieten. Auch Ärzten ist nicht jede
werbende Maßnahme untersagt; verboten ist nur die berufswidrige
Werbung.
Es besteht ein Interesse am Leistungsangebot eines Zahnarztes, sofern
er sich spezialisiert hat. Die Berufsordnung erkennt dies an, indem
Informationen gegenüber Kollegen ebenso erlaubt sind wie die Angabe von
Interessensschwerpunkten gegenüber der Kammer. Zwar kommt dem
Praxisschild eine größere Breitenwirkung zu, die Gefahr der Irreführung
und der Verwechslung eines Tätigkeitsschwerpunkts mit einer
Gebietsbezeichnung wächst hierdurch aber nicht. Die Patienten werden
diese Angabe nach ihrem Wortlaut dahin verstehen, dass der Zahnarzt
insoweit über besondere Erfahrungen verfügt und nachhaltig tätig ist.
Missverständnisse tauchen insbesondere dann nicht auf, wenn ein Arzt
mit der Gebietsbezeichnung Mund- , Kiefer- und Gesichtschirurgie den
Tätigkeitsschwerpunkt mit dem Zusatz BDIZ der Gebietsbezeichnung
anfügt. Auch wenn die Spezialisierung bei Zahnärzten nur selten
vorkommen mag, gebietet es Art. 12 Abs. 1 GG, dass die Gerichte nicht
durch Informationsverbote den Patienteninteressen zuwider auf eine
Nivellierung in der Außendarstellung hinwirken.
Bei Auslegung und Anwendung der Normen ist allerdings dem berechtigten
Interesse der Kammern an Qualitätssicherung Rechnung zu tragen. Dies
setzt voraus, dass die Selbstdarstellung auf dem Praxisschild
überprüfbar bleibt. Die Regelungen in der Berufsordnung über die
zulässigen Angaben auf dem Praxisschild beruhen auf der
Gemeinwohlbindung der Zahnärzte und der hiermit korrespondierenden
Funktion der Kammern, einen Teil staatlicher Überwachung in
Eigenverantwortung wahrzunehmen. Ein vollständiges Verbot der Angabe
von Tätigkeitsschwerpunkten ist zu Kontrollzwecken indes nicht
erforderlich. Ob nach Abwägung aller Belange nur eine beschränkte Zahl
vorgegebener Leistungsangebote- oder schwerpunkte benannt werden darf,
war vorliegend nicht zu entscheiden, weil sich jedenfalls die
Implantologie als Schwerpunkt tatsächlich herausgebildet hat und
Mehrfachnennungen nicht im Streit sind. An der nachhaltigen Tätigkeit
der Bf auf dem von ihnen benannten Spezialgebiet bestanden keine
Zweifel.
BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2001 - Az. 1 BvR 873/00, 1 BvR 874/00 -