BANKRECHT / KAPITALMARKTRECHT
Zur Aufsichtsratstätigkeit eines Notars bei einer Bank
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Die Zweite Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat
den Verfassungsbeschwerden (Vb) zweier Anwaltsnotare (Beschwerdeführer;
Bf) stattgegeben. Jeder von ihnen wollte in den Aufsichtsrat einer Bank
eintreten, deren satzungsmäßiger Geschäftszweck unter anderem auch auf
Grundstücksgeschäfte gerichtet war. Die zur Ausübung dieser
Nebentätigkeit erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde wurde
versagt, weil durch eine solche Nebentätigkeit das Vertrauen in die
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars gefährdet werde. Das
Oberlandesgericht hob auf Antrag der Bf die Entscheidungen auf, der
Bundesgerichtshof (BGH) hingegen bestätigte die Entscheidung der
Aufsichtsbehörde. Der BGH war der Auffassung, die Mitwirkung eines
Notars im Aufsichtsrat eines mit dem Verkauf oder der Vermittlung von
Grundstücken befassten Unternehmens sei generell nicht
genehmigungsfähig, weil sie jedenfalls den Anschein möglicher
Interessenkonflikte erwecken könne. Hiergegen wandten sich die Bf mit
ihren Vb. Sie sehen sich in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG
verletzt. Die 2. Kammer des Ersten Senats hob nunmehr die
Entscheidungen des BGH auf und verwies die Sachen jeweils an den BGH
zurück.
Zur Begründung heißt es in der Kammerentscheidung:
Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist zur Durchsetzung der
Grundrechte der Bf aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt. Die Anwaltsnotare
werden durch die Anordnung der Aufsichtsbehörde, wonach sich diese
Nebentätigkeit nicht mit dem Notariat vereinbaren lassen, in ihrer
Berufsausübungsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt. Grundlage der
angegriffenen Entscheidung ist § 8 Abs. 3 Bundesnotarordnung (BNotO;
siehe Anlage). Danach ist die Übernahme eines Aufsichtsratsmandats in
einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft, Genossenschaft oder einem in
einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmen von einer Genehmigung
abhängig. Die Aufsichtsbehörde hat die Genehmigung zu versagen, wenn
die Tätigkeit mit dem öffentlichen Amt des Notars nicht vereinbar ist
oder das Vertrauen in die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit gefährden
kann. Diese Regelung als solche begegnet keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Sie soll im Interesse einer geordneten Rechtspflege die
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare sicherstellen. Das
Gesetz dient damit dem Allgemeinwohl und ist auch generell der
Konfliktlage angemessen.
Die angegriffenen Entscheidungen werden jedoch dem Maßstab des Art. 12
Abs. 1 GG nicht gerecht. Das Nebentätigkeitsverbot, das empfindlich in
das Grundrecht der Berufsfreiheit der Notare eingreift, stellt eine
unverhältnismäßige Einschränkung dar. Es bestehen Zweifel an der
Erforderlichkeit dieser Maßnahme. Gefährdungen der Unabhängigkeit beugt
der Gesetzgeber bereits mit einer Vielzahl einzelner, ausdrücklich
geregelter Ge- und Verbote vor. Dabei handelt es sich insbesondere um
Beurkundungsverbote, die Verschwiegenheitspflicht des Notars und ein
für ihn bestehendes Vermittlungs- und Beteiligungsverbot. Weiter
sichert ein spezielles Werbeverbot, dass der Notar in seiner
Amtstätigkeit nicht auf sonstige - erlaubte - Nebentätigkeiten
hinweist. Der Bundesgesetzgeber selbst hat sogar für konkrete Fälle, in
denen sich im Rahmen eines Beurkundungsvorgangs tatsächlich
Berührungspunkte zwischen den Tätigkeiten als Notar und als
Aufsichtsratsmitglied ergeben, in der primär mit Überwachungsaufgaben
verbundenen Mitwirkung eines Notars in einem Aufsichtsorgan keine
generelle Gefährdung seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
gesehen. Er hat deshalb seine ursprüngliche Absicht aufgegeben, im
Falle der Zugehörigkeit eines Notars zu einem Aufsichtsrat diesem ein
Beurkundungsverbot aufzuerlegen. Dem Gesetzgeber genügt die Offenlegung
der Beziehung als ausreichendes Mittel, um dem bösen Schein zu
begegnen, weil dies die andere Partei berechtigt, für die Beurkundung
einen Notarwechsel zu verlangen. Der mögliche böse Schein lässt sich
auch nicht nur darauf stützen, dass die Notare die ihnen auferlegten
Pflichten durchweg missachten könnten. Ginge man nämlich davon aus,
dürfte man sie nicht länger als selbstständige Amtsträger walten
lassen.
Der Besorgnis, Notare könnten ihre Tätigkeit zur Anwerbung neuer
Mandate nutzen, im Beurkundungsbereich von ihrem Aufsichtsratsmandat
profitieren oder ihr Gebührenaufkommen erhöhen, kann statt mit einer
generellen Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung mit verschiedenen
Auflagen begegnet werden. Zu denken ist an das vollständige oder
weitgehende Verbot, in Angelegenheiten der Bank zu beurkunden oder
sonst tätig zu werden. Selbst wenn die Tätigkeit des Notars im
Aufsichtsrat in der Öffentlichkeit bekannt wird, kommt der Notar dann
nicht in den Ruf, für die Bank parteilich oder abhängig zu arbeiten.
Die Kammer hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Stellung eines
"Hausnotars" auch ohne Mitwirkung in irgendwelchen Organen der Banken
entstehen kann. Denn regelmäßige Geschäftsbeziehungen, denen durchaus
Gefährdungspotenzial für das unabhängige und unparteiliche Notariat
innewohnt, beruhen vornehmlich auf der wirtschaftlichen Macht des die
notarielle Dienstleistung nachfragenden Mandanten.
BVerfG, Beschluss vom 23. September 2002 - 1 BvR 1717/00 und 1 BvR 1747/00 -.