BERUFSRECHT
Zur Singularzulassung der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof / Art. 12 Abs. 1 GG
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Ein Rechtsanwalt, der unter Beibehaltung seiner bisherigen Zulassung
beim Oberlandesgericht als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof (BGH)
in Zivilsachen zugelassen werden wollte, ist mit seiner
Verfassungsbeschwerde (Vb) vor dem Bundesverfassungsgericht ohne Erfolg
geblieben. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit
Beschluss vom 31. Oktober 2002 die Vb gegen die Entscheidung des BGH,
nach der die Singularzulassung der Rechtsanwälte beim BGH
verfassungsgemäß ist, nicht zur Entscheidung angenommen.
Zum Sachverhalt:
Nach § 171 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) darf ein Rechtsanwalt beim
Bundesgerichtshof nicht zugleich bei einem anderen Gericht zugelassen
sein (Singularzulassung; Verbot der Simultanzulassung). Der
Beschwerdeführer (Bf) ist als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht Hamm
zugelassen und übt zudem den Beruf des Notars aus. Sein Antrag, ihn
zugleich auch als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zuzulassen, wurde
abgelehnt. Der BGH wies seinen dagegen gerichteten Antrag auf
gerichtliche Entscheidung zurück. Es sei verfassungsrechtlich
unbedenklich, dass der Gesetzgeber den bei dem BGH zugelassenen
Rechtsanwälten eine weitere Zulassung bei anderen Gerichten verwehrt.
Mit der Vb rügt der Bf vor allem einen Eingriff in sein Grundrecht aus
Art. 12 Abs. 1 GG.
Zur Begründung heißt es:
Die Voraussetzungen für die Annahme der Vb zur Entscheidung liegen
nicht vor. Die Vb hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche
Bedeutung noch wird der Bf durch den Eingriff in seine
Berufsausübungsfreiheit in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG
verletzt.
Zwar wird ihm eine Erweiterung seines bisherigen Tätigkeitsfeldes
verwehrt. Der BGH hat jedoch bei Auslegung und Anwendung des § 171
BRAO die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe für
gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung beachtet.
Der BGH hält die Singularzulassung durch hinreichende Gründe des
Gemeinwohls für gerechtfertigt. Sie bezwecke eine Stärkung der
Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders
qualifizierte Anwaltschaft. Mit ihr seien Vorteile für die
Rechtssuchenden und das Revisionsgericht verbunden. Die Rechtssuchenden
würden kompetent beraten und könnten im Vorfeld von aussichtslosen
Rechtsmitteln Abstand nehmen, was ihnen Kosten erspart. Zugleich werde
der BGH von unzulässigen Rechtsmitteln entlastet. Diese Gesichtspunkte
hält das Bundesverfassungsgericht noch für verfassungsrechtlich
tragfähig. Weder aus der Systematik des Gesetzes noch aus der
historischen Entwicklung oder der Umsetzung der Normen in der
Gerichtspraxis ergeben sich derzeit Anhaltspunkte dafür, dass die
Singularzulassung nicht mehr als geeignetes und erforderliches Mittel
zugunsten einer qualitativen Verbesserung der Rechtspflege angesehen
werden kann. Sie stellt sich bei einer Gesamtabwägung zwischen der
Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe
insgesamt noch als angemessen dar.
Die Auswirkungen der Zivilprozessreform auf das Revisionsverfahren,
insbesondere der Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde, lassen
derzeit keine Prognose und damit auch keine andere Wertung zu. Der
BGH hat sich zu Recht auf die bisherigen Erkenntnisse gestützt. Erst
bei Vorliegen tatsächlicher Erfahrungswerte über die Reformauswirkungen
lässt sich beurteilen, ob das Verbot der Simultanzulassung beim BGH
auch weiterhin mit dem Verfassungsrecht vereinbar ist.
Der Senat hat weiter ausgeführt, dass seine Entscheidung zur
Singularzulassung der bei einem Oberlandesgericht zugelassenen
Rechtsanwälte (vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 157/2000 vom 13. Dezember
2000) sich nicht ohne weiteres auf die Lage der Rechtsanwaltschaft beim
BGH übertragen lässt. Diese weicht in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht ab.
BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2002 - 1 BvR 819/02 -