ARBEITSRECHT
„Abwerben“ von Leiharbeitern darf nicht zu teuer sein
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Karlsruhe (jur). Firmen müssen bei ihnen eingesetzte Leiharbeiter von der Leiharbeitsfirma abwerben können. Zwar darf die Leiharbeitsfirma für den dadurch erlittenen wirtschaftlichen Schaden eine Vermittlungsprovision verlangen; diese muss aber angemessen sein und darf den Wechsel des Leiharbeitnehmers in ein reguläres Arbeitsverhältnis nicht erschweren oder faktisch verhindern, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag, 22. April 2022, veröffentlichten Urteil (Az.: III ZR 51/21).
Damit geht eine Leiharbeitsfirma aus Baden-Württemberg wegen einer unwirksamen Vertragsklausel nun bei einer geforderten Vermittlungsprovision leer aus. Das Unternehmen hatte mit einem Metallbau- und Schlossereibetrieb einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen.
Für entliehene Leiharbeiter wurden 31,50 Euro pro Stunde in Rechnung gestellt. Der Vertrag enthielt auch eine in der Leiharbeitsbranche übliche Vermittlungsprovision, falls der Entleihbetrieb die Leiharbeiter abwirbt und mit ihnen ein reguläres Arbeitsverhältnis eingeht.
Als der Schlossereibetrieb dann tatsächlich zwei entliehene, als Schweißer eingesetzte Leiharbeiter nach vier Monaten in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernahm, verlangte die Leiharbeitsfirma eine Vermittlungsprovision in Höhe von insgesamt 14.994 Euro brutto.
Doch die Vertragsklausel über die Vergütung ist unwirksam, so dass die Leiharbeitsfirma gar keine Vermittlungsprovision verlangen kann, stellte der BGH in seinem Urteil vom 10. März 2022 fest.
Im Grundsatz sei solch eine Vergütungsklausel zwar nicht zu beanstanden, „soweit der überlassene Arbeitnehmer entweder während eines bestehenden Überlassungsvertrags oder in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang“ mit dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis begründet. Die Vergütung solle den wirtschaftlichen Nachteil der Leiharbeitsfirma – den Verlust bereitgehaltener, qualifizierter Mitarbeiter – wieder ausgleichen.
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sehe hierfür eine „angemessene Vergütung“ vor. Das Vermittlungshonorar dürfe daher nicht so hoch sein, dass der Wechsel eines Leiharbeiters in ein reguläres Arbeitsverhältnis erschwert oder faktisch verhindert werde. Andernfalls werde die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer verletzt. Das Gesetz verfolge zudem das sozialpolitische Ziel, Leiharbeiter in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu bringen.
Eine angemessene Provision für die Leiharbeitsfirma müsse sich am Bruttogehalt beim neuen Arbeitgeber orientieren. Bei einer vorherigen Verleihdauer von drei Monaten dürfe die Provision nicht mehr als 15 Prozent des Jahresbruttoeinkommens plus Umsatzsteuer beziehungsweise zwei Monatsgehälter betragen. Je länger der Mitarbeiter bereits verliehen war, desto geringer müsse aber die Vermittlungsprovision ausfallen. Denn mit Fortschreiten der Entleihzeit werde „der mit dem Wechsel des Arbeitnehmers verbundene wirtschaftliche Nachteil durch die Verleihvergütung“ immer mehr kompensiert. Nach einem Jahr Verleihzeit sei dann kein Vermittlungshonorar mehr zu zahlen.
Hier habe die Leiharbeitsfirma sich in ihrer Vertragsklausel zur Vermittlungsprovision aber nicht an diese Kriterien gehalten. So habe sich das Vermittlungshonorar nach der vereinbarten Entleihvergütung und nicht, wie vorgeschrieben, nach dem Gehalt beim neuen Arbeitgeber berechnet.
Dies benachteilige besonders Arbeitnehmer, die bei ihrem neuen Arbeitgeber wegen Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen nur in Teilzeit arbeiten wollen. Müsse der neue Arbeitgeber eine Vermittlungsprovision nach der zuvor vereinbarten Verleihvergütung zahlen, lohne es sich für ihn nicht, die Mitarbeiter in Teilzeit zu übernehmen.
Die Leiharbeitsfirma habe zwar die Höhe der Vermittlungsprovision gestaffelt nach der Entleihdauer verringert, allerdings nur alle vier Monate und nicht quartalsweise, rügte der BGH.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock