VERFASSUNGSRECHT
Angriff gegen Zulassungskriterien zur Bundestagswahl erst hinterher
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Karlsruhe (jur). Parteien, die die Kriterien für ihre Zulassung zur Bundestagswahl für verfassungswidrig halten, müssen dies gesondert geltend machen. Dies ist erst nach der Wahl möglich, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch, 8. Juni 2022, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 2 BvC 10/21). Auf eine Beschwerde nur gegen die Nichtzulassung prüfe es diese Kriterien nicht. Damit bestätigten die Karlsruher Richter die Nichtanerkennung der Deutschen Zentrumspartei zur Bundestagswahl am 26. September 2021.
Laut Parteiengesetz verlieren Parteien ihren Status, wenn sie sechs Jahre lang keinen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Rechenschaftsbericht vorgelegt haben. Zu diesen Anforderungen gehört, dass der Rechenschaftsbericht von einem Wirtschafts- oder einem vereidigten Buchprüfer zu prüfen und zu testieren ist. Eine Ausnahme besteht nur für Kleinstparteien, die im Rechnungsjahr weder Einnahmen noch ein Vermögen über 5.000 Euro haben und die keine staatlichen Parteiengelder bekommen.
Die Zentrumspartei hatte für 2019 und 2020 zwar Rechenschaftsberichte vorgelegt, diese waren aber nicht von einem Wirtschafts- oder Buchprüfer überprüft worden. Der Bundeswahlausschuss ließ die Zentrumspartei daher nicht zur Bundestagswahl 2021 zu.
Die Zentrumspartei reichte hiergegen beim Bundesverfassungsgericht eine Nichtanerkennungsbeschwerde ein. Sie hält den Schwellenwert von 5.000 Euro für verfassungsrechtlich fragwürdig. Er reiche nicht aus, um ausreichend Geld für die Bezahlung eines Wirtschaftsprüfers anzusparen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Nichtzulassung zur Bundestagswahl am 22. Juli 2021 bestätigt, dafür erstmals in einem solchen Verfahren aber noch keine Gründe vorgelegt. Dies holten die Karlsruher Richter nun nach und steckten damit einen engen Rahmen für solche Nichtanerkennungsbeschwerden.
Nach dem Beschluss könnte die Kritik an der Vermögensschwelle von 5.000 Euro berechtigt sein, entschieden hat das Bundesverfassungsgericht darüber aber nicht. Denn im Rahmen einer Nichtanerkennungsbeschwerde erfolge keine verfassungsrechtliche Überprüfung der Zulassungskriterien.
Zur Begründung verwies das Bundesverfassungsgericht auf die kurzen Fristen, die bei der Vorbereitung einer Bundestagswahl gelten. Für eine Partei reichten diese nicht aus, um eine Verfassungsbeschwerde substanziiert zu begründen und das Bundesverfassungsgericht könne so kurzfristig eine Beschwerde nicht grundlegend prüfen.
Gleiches gelte für den Grundsatz, dass Angriffe gegen eine Wahl erst im Nachhinein möglich sind. Dies sei für eine termingerechte Durchführung der Wahl zwingend, betonten die Karlsruher Richter.
Die Nichtanerkennungsbeschwerde einer Partei vor der Wahl sei hiervon eine Ausnahme. Wegen des Zeitdrucks müsse eine solche Beschwerde faktisch wie ein Eilverfahren geführt werden. Diese erfordere daher eine Beschränkung der Prüfung darauf, ob der Bundeswahlausschuss das geltende Recht richtig angewandt hat.
Anderes könne allenfalls dann gelten, wenn ein Kriterium ganz offensichtlich verfassungswidrig ist. Die Vermögensschwelle nach dem Parteiengesetz sei zwar durchaus „fraglich“. Denn sie könne „einen faktischen Ausschluss kleinerer, finanziell nur begrenzt leistungsfähiger Vereinigungen von der Bundestagswahl“ zur Folge haben. Die Verfassungswidrigkeit der Regelung sei aber nicht „evident“.
Bezüglich der Zulassungskriterien für die Bundestagswahlen seien die Parteien deswegen nicht schutzlos, betonte das Bundesverfassungsgericht. Die Zentrumspartei könne nun ihre Kritik mit einer Verfassungsbeschwerde im nachgelagerten Wahlrechtsschutz vertiefen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock