STEUERRECHT
Anschrift einer Briefkastenfirma kein Hindernis für Vorsteuerabzug
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Stuttgart (jur). Die Anschrift einer deutschen Briefkastenfirma in einer Rechnung ist für den Vorsteuerabzug grundsätzlich kein Hindernis. Es ist hierfür nicht erforderlich, dass das Unternehmen im Inland auch vorwiegend seinen Geschäften nachgeht, entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am Mittwoch, 5. Oktober 2016, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 1 K 1158/14).
Im konkreten Fall ging es um Rechnungen einer im Schrotthandel tätige, GmbH. Das Unternehmen war damit im Handelsregister eingetragen, es gab zudem eine deutsche Steuernummer. Als Firmenanschrift wurde der Sitz einer Anwaltskanzlei angegeben. Zwar gab es darunter eine inländische Festnetznummer, Angestellte, ein Lager oder einen eigenen, in Deutschland zugelassenen Lkw gab es dagegen nicht. Laut Finanzamt lag die Geschäftstätigkeit vorwiegend in Ungarn.
Das Unternehmen stellte im Rahmen seines Schrotthandels in Deutschland Rechnungen aus. Die Klägerin, eine andere Firma, hatte von der GmbH Schrott bezogen. Sie machte beim Finanzamt die in den Rechnungen angeführte Vorsteuer geltend und minderte seine eigene Umsatzsteuerschuld entsprechend.
Doch die Behörde lehnte den Vorsteuerabzug ab. Eine Rechnung setze eine „vollständige Anschrift“ und damit zutreffende Anschrift voraus. Hier sei die Anschrift der GmbH aber lediglich eine Briefkastenadresse am Sitz einer Kanzlei, die eine Domiziladresse auch für weitere Firmen sei. Die vorwiegende Geschäftstätigkeit und der eigentliche Unternehmenssitz lägen in Ungarn, rügte das Finanzamt. Der GmbH-Geschäftsführer komme nur einmal im Monat in die Kanzlei, wo er dann einen Schreibtisch, Telefon und Computer nutzen könne.
In seinem Urteil vom 21. April 2016 gab das Finanzgericht dem Kunden des Schrotthändlers recht. Der Begriff der „vollständigen Anschrift“ sei nicht so eng. „Anschrift“ und „Sitz der wirtschaftlichen Aktivität“ seien nicht gleichzusetzen. Der Sitz einer Firma könne anders als bei „geschäftlichen Aktivitäten“ mit allgemein zugänglichen Quellen wie Auskunftsdateien oder auch dem Handelsregister bestimmt werden.
Im Übrigen habe es auch hier „geschäftliche Aktivitäten“ in Deutschland gegeben. So habe der Geschäftsführer einmal monatlich die Kanzleiräume aufgesucht und habe Schrotthandel betrieben. Ein Vorsteuerabzug sei zwar bei betrügerischem oder missbräuchlichem Handeln ausgeschlossen. Eine Steuerhinterziehung liege hier aber nicht vor.
Gegen das Urteil hat das Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen V R 28/16 anhängig.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte 2011 entschieden, dass aber auch Briefkastenfirmen Körperschaft- und Gewerbesteuer zahlen müssen (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 15. November 2011, Az.: C-106/09 P).
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