SOZIALRECHT
Auch Jugendliche müssen OP wegen ungleicher Brüste selbst zahlen
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Kassel (jur). Ungleich große Brüste können gerade in der Pubertät für Jugendliche und junge Frauen besonders belastend sein. Doch eine Asymmetrie der Brüste ist regelmäßig nicht als „entstellend“ zu werten, so dass die gesetzliche Krankenkasse einen operativen Brustaufbau nicht bezahlen muss, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) am Donnerstag, 10. März 2022, in Kassel (Az.: B 1 KR 3/21 R). Führen ungleich große Brüste zu psychischen Problemen und Einsamkeit, sei vielmehr psychologische oder psychiatrische Hilfe nötig.
Damit muss eine Hamburgerin die Kosten für einen operativen Brustaufbau in Höhe von rund 4.000 Euro selbst bezahlen. Während ihrer Pubertät hatten sich die Brüste der Frau ungleich entwickelt. Sie empfand die erheblich unterschiedlichen Brustgrößen als „entstellend“ und fühlte sich von Klassenkameraden ständig beobachtet.
Im Dezember 2009 beantragte sie im Alter von 15 Jahren einen operativen Brustaufbau, damit die Brustgrößen wieder angeglichen werden. Sie könne zwar die unterschiedlichen Brustgrößen mit einem speziellen BH und Kleidung kaschieren. Dies sei aber im Schwimm- und Sportunterricht oder bei Klassenfahrten nicht mehr möglich. Maßstab für eine Entstellung müsse zumindest bei Jugendlichen daher der unbekleidete Körper sein. Denn Jugendliche in der Pubertät und mit ihrer beginnenden Sexualität seien besonders „vulnerabel“. Die in Anspruch genommene psychologische Hilfe sei erfolglos gewesen.
Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme ab. Zwar sei beim Vorliegen einer „Entstellung“ durchaus ein operativer Eingriff in den Körper auf Kosten der Krankenkassen möglich. Dabei komme es aber darauf an, ob die „Entstellung“ im bekleideten Zustand sichtbar ist. Hier sei dies nicht der Fall. Die Klägerin müsse vielmehr lernen, ihren Körper zu akzeptieren. Wer genau als „jugendlich“ gelten solle, sei ebenfalls unklar.
Während des Gerichtsverfahrens ließ die Klägerin mit 19 Jahren für rund 4.000 Euro auf eigene Kosten den Brustaufbau vornehmen.
Doch eine Kostenerstattung kann die Klägerin nicht verlangen, urteilte das BSG. Die Brustasymmetrie sei nicht „entstellend“. Nur wenn eine „objektiv erhebliche Auffälligkeit“ vorliege, die eine Person zum „Objekt der Betrachtung“ macht, komme eine Leistungspflicht der Krankenkasse infrage. Hier habe solch eine Entstellung aber nicht vorgelegen. Auf das Empfinden einer „subjektiv erheblichen Auffälligkeit“ komme es nicht an.
Als Beispiel für eine objektiv erheblichen Auffälligkeit nannte BSG-Präsident und Vorsitzender des 1. BSG-Senats Rainer Schlegel etwa das Fehlen des Kopfhaares bei einer Frau. Das Fehlen eines Hodens beim Mann falle dagegen nicht darunter, so Schlegel mit Verweis auf die BSG-Rechtsprechung.
Wann eine „Entstellung“ vorliege, müsse regelmäßig vom bekleideten Zustand her beurteilt werden. Ausnahmsweise könne dies auch im unbekleideten Zustand gelten. Dann müsse die Auffälligkeit aber wirklich sehr groß sein, etwa bei einer Spaltbildung des Rumpfes. Bei auftretenden psychischen Problemen sei zudem psychologische oder psychiatrische Hilfe angebracht und kein chirurgischer Eingriff.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock