SCHADENSERSATZ UND SCHMERZENSGELD
Auch Porsche hätte über VW-Abgasmanipulationen informieren müssen
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Abgasmanipulation © WS Design - stock.adobe.com
Stuttgart (jur). Als Mehrheitseigner an der Volkswagen AG hätte auch die Porsche Automobil Holding SE (PSE) über den Abgasskandal im VW-Konzern informieren müssen. Das gilt allerdings nur, wenn der PSE-Vorstand davon wusste, wie am Mittwoch, 29. März 2023, das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zu einem Kapitalanleger-Musterverfahren entschied (Az.: 20 Kap 2/17).
Vor dem Landgericht Stuttgart klagen zahlreiche Porsche-Aktionäre auf Schadenersatz. Hintergrund ist die sogenannte Ad-hoc-Meldung der Volkswagen AG vom 22. September 2015 über die Abgasmanipulationen im VW-Konzern. Daraufhin waren nicht nur die VW-, sondern auch die Porsche-Aktien eingebrochen, weil die PSE 53,1 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien und 31,3 Prozent des gezeichneten Kapitals der Volkswagen-AG hält.
Die Kläger meinen, die PSE hätte ebenfalls und bereits früher über die Abgasmanipulationen informieren müssen; ihre Porsche-Aktien hätten sie dann nicht noch zu einem letztlich überhöhten Preis gekauft. Die Schadenersatzforderungen belaufen sich auf insgesamt rund acht Milliarden Euro; allein bei der Musterklägerin, einer Gesellschaft aus Großbritannien, sind es 5,7 Millionen Euro.
Zu dem Musterverfahren hatte das Landgericht dem OLG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gegen die Entscheidungen des OLG ist noch die Beschwerde zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe zulässig.
Das OLG bejahte zunächst die Frage, ob auch die PSE zu einer Ad-hoc-Mitteilung über die Abgasmanipulationen im VW-Konzern verpflichtet gewesen wäre. Die hohe Beteiligung an der Volkswagen AG sei „das wesentliche Investment der PSE“. Ein Einbruch der VW-Aktie wirke sich daher unmittelbar auf den Unternehmenswert der PSE aus. Eine Informationspflicht habe daher im Grundsatz bestanden, solange Volkswagen nicht selbst die Information veröffentlicht hatte.
Nach der zweiten Antwort gilt dies allerdings nur, wenn der PSE-Vorstand von den Abgasmanipulationen wusste. Insiderwissen von VW müsse sich dieser nicht zurechnen lassen. Gleiches gelte für das Wissen sogenannter Doppelvorstände, also Personen, die Mitglied des PSE- und des Volkswagenvorstands waren. Denn diese seien zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen und hätten daher ihr mögliches Wissen über die Abgasmanipulationen unter Strafandrohung nicht außerhalb von VW verbreiten dürfen.
Schließlich verneinte das OLG die Frage, ob die PSE bereits 2008 eine Ad-hoc-Mitteilung hätte herausgeben müssen. Zwar seien damals die ersten Autos mit dem manipulierten VW-Motor EA 189 in den USA zugelassen worden. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die bis Ende 2009 amtierenden PSE-Vorstände Wendelin Wiedeking und Holger Härter dadurch von den Abgasmanipulationen wussten.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock