VERKEHRSRECHT
Auf Gehweg fahrender Radfahrer muss im Einzelfall seine Schäden selbst tragen
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Ein verbotswidrig auf dem Gehweg fahrender Fahrradfahrer muss im Einzelfall seine unfallbedingten Schäden selbst tragen
Der spätere Kläger - ein 30-jähriger Gaststudent aus Ägypten ohne Krankenversicherungs-schutz befuhr mit seinem Fahrrad an einem Juli-Nachmittag des Jahres 2002 den Gehweg in der Hauptstraße in Neubiberg mit ca. 10 km/h. Direkt nach einem leichten „Rechtsknick“ des Gehwegs (die dahinter liegende Verkehrssituation war nicht einsehbar) fuhr gerade der spätere Beklagte mit seinem PKW Mercedes aus seiner Grundstückseinfahrt heraus. Der Kläger konnte einen Zusammenstoß nicht mehr vermeiden. Er wurde am rechten Kniegelenk verletzt (Distorsion), war vier Wochen arbeitsunfähig und musste sich über mehrere Monate in ärztliche Behandlung begeben (Kosten: € 2.600,00). Darüber hinaus hatte sein Fahrrad einen „Achter“ (Schaden € 22,50). Vorgerichtlich forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm die Arztkosten und seinen materiellen Schaden zu ersetzen; darüber hinaus verlangte er Schmerzensgeld in Höhe von € 2.000,00, insgesamt eine Summe von über € 4.600,00. Der Beklagte zahlte nicht. So kam der Fall vor das Amtsgericht München.
Im Prozess hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass der Beklagte die Vorschrift des § 10 StVO verletzt habe, da er nicht so aus seiner Grundstücksausfahrt hinaus gefahren sei, dass ein Unfall ausgeschlossen war. Erforderlichenfalls hätte er sich eben einweisen lassen müssen. Dennoch räume er - der Kläger - eine kleine Mitschuld ein. Er lasse sich seinen Anspruch daher um 20 % kürzen. Insgesamt machte der Kläger mit seiner Klage € 4.126,16 geltend (davon € 2.000,00 Schmerzensgeld).
Das Gericht folgte der Argumentation des Klägers nicht und wies die Klage in vollem Umfang ab. Dem Kläger sei es nach § 2 Abs. 1 StVO absolut verboten gewesen, auf dem Gehweg mit dem Fahrrad zu fahren. Darüber hinaus sei er wegen der Unübersichtlichkeit der Verkehrssituation („Rechtsknick“) mit 10 km/h zu schnell gewesen. Angesichts dessen trete die grundsätzlich den Beklagten treffende Betriebsgefahr hinsichtlich des von ihm bewegten PKW Mercedes vollständig zurück. Dies umso mehr, als ein Zeuge bekundet hatte, dass der Beklagte sich „sehr langsam“, mit „weniger als Schrittgeschwindigkeit“ aus der Einfahrt herausgetastet habe.
Damit fand sich der Kläger nicht ab und legte Berufung zum Landgericht München I ein. Die dort zuständige Zivilkammer wies den Kläger in einem Beschluss darauf hin, dass sie die Rechtslage genauso sehe wie das Amtsgericht München. Daraufhin nahm der Kläger seine Berufung zurück.
Urteil des Amtsgerichts München vom 03.06.2004; Aktenzeichen: 342 C 18819/03
Landgericht München I: Aktenzeichen: 17 S 12877/04