ARBEITSRECHT
BayWa AG kündigt massive Restrukturierung an: 1.300 Stellen vor dem Aus – arbeitsrechtliche Konsequenzen im Fokus
Autor: Dr. jur. Jens Usebach, LL.M. - Rechtsanwalt
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Die BayWa AG, eines der traditionsreichsten Unternehmen Bayerns mit Sitz in München, steht vor tiefgreifenden Umstrukturierungen. Angesichts massiver wirtschaftlicher Schwierigkeiten plant der Konzern bis Ende 2027 nicht nur die Schließung von 26 Standorten in Deutschland, sondern auch den Abbau von rund 1.300 Vollzeitstellen – etwa 16 Prozent der derzeitigen Belegschaft. Der angekündigte Stellenabbau betrifft dabei vor allem die zentralen Verwaltungsstrukturen am Unternehmenssitz in München, wo rund 40 Prozent der Arbeitsplätze entfallen sollen. Die Auswirkungen auf die betroffenen Beschäftigten sind erheblich – sowohl sozial als auch arbeitsrechtlich.
Ursache für die tiefgreifenden Maßnahmen ist eine anhaltende wirtschaftliche Schieflage, die aus einer ambitionierten, jedoch kreditfinanzierten Expansionsstrategie resultiert. Unter der Leitung des früheren Vorstandsvorsitzenden Klaus Josef Lutz investierte das Unternehmen stark in internationale Beteiligungen, darunter der neuseeländische Apfelproduzent Turners & Growers sowie die niederländische Agrarhandelsgesellschaft Cefetra. Diese Investitionen führten zu einer Gesamtverschuldung von über fünf Milliarden Euro, von der rund die Hälfte kurzfristig fällig ist. Gleichzeitig haben sich die Rahmenbedingungen auf den Finanzmärkten deutlich verschärft: Der starke Zinsanstieg der vergangenen Jahre ließ die Fremdkapitalkosten explodieren. Im Jahr 2023 schrieb die BayWa AG erstmals rote Zahlen, und allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 belief sich der Nettoverlust auf fast 641 Millionen Euro.
In dieser finanziellen Ausnahmesituation stellte das Unternehmen am 6. April 2025 ein umfassendes Transformationskonzept vor. Es sieht vor, sich künftig auf die Kerngeschäftsbereiche Agrar, Baustoffe, Energie und Technik zu konzentrieren, nicht rentable Unternehmensbereiche zu verkleinern und die Schuldenlast signifikant zu reduzieren. Infolge einer internen Standortanalyse sollen 26 wirtschaftlich defizitäre Niederlassungen, überwiegend in Bayern, geschlossen werden – unter anderem in Orten wie Altensteig, Triftern, Kronach, Neu-Ulm oder Obertraubling. Auch ein Verkauf internationaler Beteiligungen – darunter die Beteiligung an BayWa r.e. – wird in Erwägung gezogen, um zusätzliche Liquidität zur Schuldentilgung zu generieren.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind die Auswirkungen des Umbaus gravierend. Die angekündigten Maßnahmen stellen eine sogenannte Betriebsänderung im Sinne von § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) dar. In der Folge ist die Unternehmensleitung verpflichtet, mit dem Gesamtbetriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln. Während der Interessenausgleich die geplanten Änderungen und deren Umsetzung regelt, soll der Sozialplan wirtschaftliche Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer durch Abfindungen, Fortbildungsangebote oder die Einrichtung von Transfergesellschaften abmildern. Die Verhandlungen zwischen Konzernleitung und Betriebsrat haben bereits begonnen; eine Einigung soll bis Ende März 2025 vorliegen.
Zudem müssen im Falle von Massenentlassungen arbeitsrechtlich formalisierte Verfahren eingehalten werden. So ist bei der Entlassung von mehr als 30 Arbeitnehmern in einem größeren Betrieb eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bei der Agentur für Arbeit zwingend vorgeschrieben. Andernfalls sind die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam. Auch müssen für jede Kündigung die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung vorliegen: Der Arbeitsplatz muss infolge der unternehmerischen Entscheidung dauerhaft entfallen, eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz darf nicht möglich sein, und die Sozialauswahl muss korrekt durchgeführt werden. Hierbei sind Kriterien wie Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Bei fehlerhafter Auswahl oder fehlender Anhörung des Betriebsrats sind Kündigungen vor dem Arbeitsgericht anfechtbar.
Die Gewerkschaft Verdi äußerte bereits scharfe Kritik an den angekündigten Maßnahmen. Thomas Gürlebeck, Vizebereichsleiter Handel bei Verdi Bayern, forderte, dass die Restrukturierung nicht allein zulasten der Beschäftigten erfolgen dürfe. Man werde gemeinsam mit der Belegschaft um jeden Arbeitsplatz kämpfen.
Trotz der kritischen Lage konnte die BayWa AG im Oktober 2024 einen temporären finanziellen Hoffnungsschimmer verzeichnen: Mit mehreren Kreditinstituten wurde eine Einigung über frische Liquidität in Höhe von rund 500 Millionen Euro erzielt. Diese Mittel sollen zur Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts und zur Finanzierung der anstehenden Umstrukturierungen genutzt werden. Vorstandsvorsitzender Marcus Pöllinger sprach davon, die Krise als Chance zu begreifen und die BayWa „fit für die Zukunft“ zu machen.
Für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet die geplante Restrukturierung: Jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Wer zu lange zögert, verliert seine Rechte. Auch sollte geprüft werden, ob ein Anspruch auf Abfindung aus einem Sozialplan besteht oder ob Fehler bei der Sozialauswahl vorliegen. In vielen Fällen lohnt es sich, eine individuelle Prüfung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht vornehmen zu lassen – nicht zuletzt, um etwaige Abfindungen oder bessere Aufhebungsverträge durchzusetzen.
Gerade in wirtschaftlichen Krisensituationen ist es wichtig, sich nicht allein auf die Ankündigungen des Arbeitgebers zu verlassen, sondern arbeitsrechtliche Optionen konsequent zu prüfen. Denn auch wenn die wirtschaftlichen Zwänge nachvollziehbar erscheinen mögen – das Arbeitsrecht setzt klare Grenzen und gewährt Beschäftigten effektiven Schutz. Für viele Mitarbeitende der BayWa AG könnte dieser rechtliche Schutz in den kommenden Monaten entscheidend werden.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.
Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321