Befristete Arbeitsverträge – Unwirksamkeit von Befristungen in Fällen eines ständigen Vertretungsbedarfs
Autor: Dr. Elke Scheibeler - Rechtsanwältin
Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen können sich mehr und mehr Hoffnungen auf eine Festanstellung machen. Grund hierfür ist die Rechtsprechung, die aktuell vielfältige Zweifel an der Wirksamkeit des deutschen Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) äußert. Das letzte Wort wird in einigen Fällen - wie so oft - der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg haben.
Das deutsche Bundesarbeitsgericht legte am 17.11.2009 dem EuGH erneut eine Vorabentscheidungsfrage zum deutschen TzBfG vor, und dies keine drei Wochen, nachdem es am 27.10.2010 bereits eine andere Frage formuliert hatte (Pressemitteilung Nr. 80/2010, hierüber hatte ich schon berichtet).
Während es am 27.10.2010 um Befristungen gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG ging, der die öffentlichen Arbeitgeber selbst dazu ermächtigt, im Haushaltsgesetz Befristungsgründe zu schaffen, geht es im aktuellen Fall um § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG. Danach kann ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt werden. Ist also ein Arbeitnehmer schwer erkrankt oder - wohl der häufigste Fall - in Elternzeit, kann der Arbeit-geber befristet Ersatz einstellen, und nach der Rückkehr des Vertretenen ohne Risiko wieder entlassen.
Ausgiebig Gebrauch von dieser Vorschrift machte in entschiedenen Fall - mal wieder - das Land NRW im Bereich der Justizverwaltung. Die Klägerin war im Zeitraum von Juli 1996 bis Dezember 2007 als Justizangestellte auf der Geschäftsstelle des AG Köln beschäftigt aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen. Die Befristungen dienten jeweils der Vertretung von verschiedenen in Elternzeit oder im Sonderurlaub befindlichen Arbeitnehmern. Nach den aktuellen Angaben auf der Homepage des AG Köln sind dort derzeit 539 „sonstige Mitarbeiter" tätig, zu der auch die Mitarbeiter in den Serviceeinheiten auf den Geschäftsstellen zählen. Es ist davon auszugehen, dass sich dort immer eine deutlich zweistellige Zahl von Mitarbeitern in Elternzeit oder Sonderurlaub befindet oder aufgrund einer ernsten Erkrankung ausfällt. Hinzu kommen noch die Versetzungsmöglichkeiten zum im gleichen Gebäude befindlichen Landgericht. Vor diesem Hintergrund könnte das Land ohne Risiko eine entsprechende Anzahl fest angestellter „Springer" beschäftigen.
Nach bisher ständiger Rechtsprechung des BAG kann sich ein Arbeitgeber bei einer Befristung auf den Sachgrund der Vertretung auch dann berufen, wenn bei ihm ständig Arbeitskräfte ausfallen und der Vertretungsbedarf auch durch unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer abgedeckt werden könnte. Hieran hat das BAG jetzt Zweifel. In der Richtlinie 1999/70 EG befindet sich nämlich als Anhang die EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung über befriste-te Arbeitsverträge. Dort verpflichten sich in § 5 die Mitgliedstaaten, Missbrauch durch aufei-nanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden, und ein solcher könnte im entschie-denen Fall vorliegen.
Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen sollten sich daher einmal mehr anwaltlich be-raten lassen. Aufgrund der Vorlagen zum Europäischen Gerichtshof besteht die Möglichkeit, dass Kettenbefristungen zu Vertretungszwecken für unzulässig erklärt werden. Gleiches könnte für Haushaltsbefristungen generell gelten. Wer über eine Rechtsschutzversicherung verfügt und es sich somit leisten kann, sollte den Versuch wagen und Klage führen.
Es ist den Betroffenen weiter dringend davon abzuraten, neue befristete Arbeitsverträge zu unterzeichnen, da nur die jeweils aktuelle Befristung gerichtlich überprüft werden kann. Neue Arbeitsverträge können auch unter Vorbehalt angenommen und parallel dazu Klage gegen die Befristung im vorangegangenen Arbeitsvertrag erhoben werden. So ist der Arbeitsplatz jedenfalls für die Dauer der neu angebotenen Befristung gesichert und gleichzeitig können die Rechte gewahrt werden. Auch vor Annahme eines befristeten Arbeitsvertrags unter Vorbehalt sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.