FAMILIENRECHT
Befürchtete Kindesentführung kein wichtiger Grund für Namensänderung
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Mannheim (jur). Eine mögliche Kindesentführung durch den Ex-Partner ist allein noch kein „wichtiger Grund“ für eine Änderung des Familiennamens beim Kind. Dass die verschiedenen Namen eine Reise des Ex-Partner mit den Kindern erschweren und Behörden bei Kontrollen misstrauisch machen sollen, reicht als Grund nicht aus, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 20. Mai 2022 (Az.: 1 S 388/22). Maßgeblich seien sämtliche Aspekte des Kindeswohls, die hier für eine Beibehaltung des väterlichen Namens sprächen.
Im entschiedenen Fall ging es um ein unverheiratetes Elternpaar von zwei heute neun und sechs Jahre alten Kindern. Ursprünglich hatten die Kinder den Familiennamen der Mutter. Im Mai 2016 ließen die Eltern den Familiennamen der Kinder auf den Namen des Vaters ändern. Beide Elternteile übten das Sorgerecht aus.
Doch dann kam es im Mai 2019 zur Trennung, und das Paar lieferte sich zahlreiche Gerichtsstreitigkeiten. Mehrfach hatte der Vater die Kinder nicht zur Mutter zurückgebracht.
Die Streitigkeiten gipfelten schließlich darin, dass der Vater die Kinder ohne Zustimmung der Mutter ins Ausland mitnahm. Erst nach einer fünfmonatigen Fahndung konnten sie an der rumänisch-ungarischen Grenze aufgegriffen werden. Zwischenzeitlich hatte die Mutter das alleinige Sorgerecht erhalten. Die Staatsanwaltschaft stellte ein Ermittlungsverfahren gegen den Vater wegen des Verdachts der Kindesentziehung wieder ein. Denn der Vater hatte sich in der Folgezeit wieder kooperativ gezeigt, eine Vereinbarung zum Umgangsrecht war in Vorbereitung.
Die Mutter befürchtete dennoch eine erneute Kindesentführung. Sie beantragte, dass die Kinder wieder ihren früheren mütterlichen Familiennamen erhalten sollen. Jugendamt und Regierungspräsidium stimmten dem aus Kindeswohlgründen zu. Bei einer Namensverschiedenheit von Vater und Kindern werde die Gefahr einer Kindesentziehung verringert, so die Begründung. Denn gerade bei Auslandsreisen falle ein Mann mit Kindern bei Kontrollen leichter auf, wenn sie verschiedene Namen haben. Hier sei das Kindeswohl gefährdet gewesen, da die Kinder bereits fünf Monate lang keinen Kontakt zu ihrer Mutter hatten. Der Vollzug der Namensänderung wurde mit sofortiger Wirkung angeordnet.
Der Vater beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Eine Kindesentziehung habe nicht vorgelegen, das Ermittlungsverfahren hierzu sei eingestellt worden. Die Änderung des Familiennamens der Kinder sei mit Blick auf das Kindeswohl nicht erforderlich.
Sein Antrag hatte Erfolg. Der VGH hob die sofortige Vollziehung der Namensänderung wieder auf. Zwar sei eine Kindeswohlgefährdung ein wichtiger Grund für eine Namensänderung. Dies sei etwa der Fall, wenn ein Elternteil keinerlei Beziehung zu dem Kind hat und dieses schadet.
Hier liege jedoch keine Kindeswohlgefährdung vor, wenn die Kinder weiter den Namen des Vaters behalten. Die vorgebrachte Kindeswohlgefährdung wegen einer begangenen und drohenden Kindesentziehung liege nicht in dem gemeinsamen Namen mit dem Vater begründet, sondern in der widerrechtlichen Verlängerung des Umgangs mit den Kindern, betonte der VGH. Dem könne das Familienrecht mit Umgangsbeschränkungen begegnen. Mittlerweile habe der Vater auch Umgangsvereinbarungen über einen längeren Zeitraum eingehalten. Anhaltspunkte für eine Kindesentziehung gebe es nicht mehr.
Der Vater habe zudem ein gutes emotionales Verhältnis zu seinen Kindern und sei für sie eine wichtige Bezugsperson. Werde der Familienname geändert, bestehe die Gefahr, dass die persönliche stabile Beziehung zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil beeinträchtigt werde.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock