ARBEITSRECHT
Bei Fortbildungen trägt nur wasserdichte Rückzahlungsklausel
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Erfurt (jur). Wollen Arbeitgeber eine Arbeitnehmerin nach einer Fortbildung an sich binden, müssen sie eine Rückzahlungsklausel wasserdicht formulieren. So muss die Rückzahlung auf jeden Fall ausgeschlossen sein, wenn die Arbeitnehmerin unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Dienstag, 3. Mai 2022, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: 9 AZR 260/21). Danach ist andernfalls die gesamte Rückzahlungsklausel unwirksam – auch dann, wenn der Fehler mit dem konkreten Sachverhalt gar nichts zu tun hat.
Damit gab das BAG einer Altenpflegerin recht, die früher in einer fränkischen Rehaklinik arbeitete. Vom 4. Juni bis 3. Dezember 2019 machte sie eine Fortbildung zur „Fachtherapeutin Wunde ICW“ zur Versorgung chronischer Wunden. Die Rehaklinik verpflichtete sich, die Kosten von insgesamt 4.090 Euro zu tragen, davon 1.930 Euro für die Kursgebühren und 2.160 Euro für die bezahlte Freistellung an den 18 Fortbildungstagen.
Im Gegenzug verpflichtete sich die Altenpflegerin, nach dem Ende der Fortbildung das Arbeitsverhältnis für mindestens sechs Monate fortzusetzen. Bei einer „nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung“, bei einer verhaltensbedingten Kündigung oder bei einem Aufhebungsvertrag auf Wunsch der Arbeitnehmerin sollte sie die Fortbildungskosten nach Monaten anteilig zurückzahlen.
Die Altenpflegerin schloss die Fortbildung am 3. Dezember 2019 erfolgreich ab. Kurz zuvor, am 29. November 2019, kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis zum 1. Februar 2020. Gestützt auf den Fortbildungsvertrag forderte die Klinik anteilige Fortbildungskosten in Höhe von 2.727 Euro zurück.
Damit hatte die Rehaklinik durch alle Instanzen jedoch keinen Erfolg. Denn die im Fortbildungsvertrag enthaltene Rückzahlungsklausel ist insgesamt unwirksam, entschied nun auch das BAG mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 1. März 2022.
Zur Begründung betonten die Erfurter Richter, eine solche Klausel dürfe die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht unangemessen benachteiligen. Denn sie löse einen „Bleibedruck“ aus, der ihre Berufswahlfreiheit einschränke.
Hier führe laut Fortbildungsvertrag jede nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Arbeitnehmerkündigung zu einer Rückzahlungspflicht. Dies umfasse auch eine Kündigung der Altenpflegerin, weil sie aus persönlichen aber nicht von ihr zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, ihrer Arbeit nachzugehen.
In solchen Fällen sei das Interesse der Arbeitnehmerin an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber höher zu bewerten als die des Arbeitgebers an dessen Fortbestehen. Hier sehe der Fortbildungsvertrag dann aber trotzdem eine Rückzahlung vor. Daher benachteilige die Klausel die Arbeitnehmerin unangemessen.
Als Konsequenz ist die Rückzahlungsklausel insgesamt unwirksam. Faktisch gilt sie als gar nicht vereinbart. Daher kann die Rehaklinik keine Erstattung der Fortbildungskosten verlangen, auch wenn der Mangel der Klausel bei dem konkreten Sachverhalt offenbar gar keine Rolle gespielt hätte.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock