Bei Prozesskostenhilfe muss man mit den Anträgen vorsichtig sein
Autor: Dr. Elke Scheibeler - Rechtsanwältin
Die sog. Prozesskostenhilfe, früher auch Armenrecht genannt, gehört zu Errungenschaften unseres Rechtsstaates. Wer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch bezieht oder ähnlich wenig Geld verdient, bekommt die Kosten seines Anwaltes und auch des Gerichts, nicht aber im Fall des Unterliegens des gegnerischen Anwaltes vom Staat erstattet. Voraussetzung ist weiter lediglich, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, § 114 ZPO.
Was unter einer mutwilligen Rechtsverfolgung zu verstehen ist, hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 20.04.2012, AZ 26 Ta 535/12 ausgeführt. In dem Fall hatte ein bedürftiger Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben und Prozesskostenhilfe beantragt. Da die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der Kündigung beim Arbeitgeber liegt und die Arbeitgeberin anwaltlich vertreten war, stand insofern einer Bewilligung seines Prozesskostenhilfeantrags nichts im Weg.
Im Verlauf des Prozesses wurde die Klage dann erweitert im Hinblick auf rückständige Vergütung für die Zeit nach dem Kündigungstermin und zwar mittels sog. Hauptanträge, die gleichwertig neben der Kündigungsschutzklage standen. Im Fall einer Abweisung der Kündigungsschutzklage wären somit auch die Zahlungsansprüche abgewiesen worden. Durch die Zahlungsansprüche erhöhte sich der sog. Gegenstandswert des Prozesses und damit dessen Kosten insgesamt.
Das Landesarbeitsgericht hatte im Hinblick auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe in Bezug auf die Klageerweiterung Bedenken. Als Vergleichsmaßstab nahm es einen wohlhabenden Arbeitnehmer, der seinen Prozess selbst finanzieren muss, da er über entsprechende Rücklagen verfügt. Ein solcher hätte auch erst einmal abgewartet, wie der Kündigungsschutzantrag entschieden wird, und die Zahlungsansprüche lediglich hilfsweise für den Fall gestellt, dass die Kündigungsschutzklage erfolgreich ist. Etwaig vorhandene Ausschlussfristen werden ohnehin bereits durch die Kündigungsschutzklage an sich gewahrt. Das Landesarbeitsgericht erteilte einen entsprechenden Hinweis, den der Kläger jedoch nicht befolgte.
Folge war, dass sein Prozesskostenhilfeantrag insgesamt, also auch für den Kündigungsschutzantrag, zurückgewiesen wurde. Das LAG verwies insofern auf den Beschluss des BAG vom 08.09.2011, 3 AZB 46/10, der sich wiederum auf den Beschluss vom 17.02.2011, 6 AZB 3/11 bezog. In beiden Fällen ging es darum, dass eine Kündigungsschutzklage und Zahlungsanträge in verschiedenen Prozessen geltend gemacht wurden. Auch dort wurde den Klägern die Prozesskostenhilfe insgesamt versagt. Der sechste Senat des BAG begründete dies damit, dass der Wortlaut des § 114 ZPO, der gemäß § 11 Abs. 3 ArbGG im Arbeitsgerichtsprozess entsprechend gilt, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Fall der Mutwilligkeit insgesamt ausschließt. Aus diesem Grund könne die Prozesskostenhilfe nicht nur beschränkt für die Kosten gewährt werden, die auch im Fall einer sachgerechten Antragsstellung angefallen wären.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sah sich auch nicht in der Lage, die Prozesskostenhilfe gemäß §§ 11 a Abs. 1, Abs. 2 ArbGG unabhängig von den Erfolgsaussichten zu bewilligen, obwohl die Arbeitgeberin anwaltlich vertreten war. Denn es lag nach seiner Ansicht sogar eine offensichtliche Mutwilligkeit vor, die über die Anforderungen des § 114 ZPO hinausgeht, und im Arbeitsgerichtsprozess die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter erleichterten Bedingungen ausschließt.
Wer also Prozesskostenhilfe beantragt, darf nicht erwarten, dass ihm der Staat bessere Rechtsschutzmöglichkeiten einräumt als solche, die sich eine finanziell besser aufgestellte Partei leisten würde. Das ausführliche Urteil des LAG Berlin ist für mich einmal mehr Anlass, die Anträge genau zu prüfen, die ich für eine bedürftige Partei stelle.
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