AKTIENGESELLSCHAFTSRECHT
BGH: private Haftung bei „Schwindelunternehmen“
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Karlsruhe (jur). Wer gezielt zur Kunden-Abzocke ein „Schwindelunternehmen“ gründet, muss mit seinem Privatvermögen für Verluste der Kunden haften. Das gilt auch für eine in der Haftung beschränkte Kapitalgesellschaft, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 14. Juli 2015 entschied (Az.: VI ZR 463/14).
Im Streitfall ging es um eine 2004 gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Offizieller Unternehmensgegenstand war das sogenannte Factoring, also der Kauf von Schuldforderungen. Die Erlöse aus dieser Geschäftstätigkeit waren allerdings sehr gering. Den Großteil ihrer Umsätze erzielte die Aktiengesellschaft mit dem Verkauf ihrer eigenen Aktien.
Insgesamt wurden 22 Millionen Aktien verkauft. Ihr Nennwert betrug 0,01 Schweizer Franken. Der Ehemann der Klägerin hatte 2008 und 2009 20.000 Namensaktien gekauft – allerdings zu Stückpreisen zwischen 1,90 und 3,80 Euro. Insgesamt bezahlte er 62.500 Euro. Als die Aktiengesellschaft 2010 in die Insolvenz ging, waren die Aktien wertlos.
Im Namen ihres Ehemannes fordert die Klägerin dieses Geld zurück. Ihre Klage richtet sich gegen einen der Gründer der Aktiengesellschaft, der bis kurz vor der Insolvenz auch Mitglied des Verwaltungsrats war, zudem gegen den langjährigen Präsidenten des Verwaltungsrats. Dabei argumentiert die Klägerin, das Factoring sei nur ein „Minimalgeschäft mit Alibifunktion“ gewesen. Es habe allein dazu gedient, den Anlegern ein florierendes Unternehmen vorzutäuschen und sie so zum Kauf von Aktien zu bewegen.
Der BGH bejahte zunächst die Zuständigkeit der deutschen Gerichte, weil der Ehemann den Schaden in Deutschland erlitten habe.
Inhaltlich bekräftigten die Karlsruher Richter frühere Urteile, wonach Geschäftsleiter oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft auf Schadenersatz haften, „wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein ‚Schwindelunternehmen’ handelt (BGH, Urteil vom 28. Februar 1989, Az.: XI ZR 70/88 sowie Urteile vom 17. März 2015, Az.: VI ZR 11/14 und VI ZR 12/14)“.
Hier habe das Unternehmen seine Aktien zu Preisen verkauft, die den Nennwert um das bis zu 520-Fache überschreiten. Gründe hierfür „waren und sind nicht ansatzweise erkennbar“, betonten die Karlsruher Richter. Entsprechende Umsatz- und Gewinnerwartungen habe es nicht gegeben. Im Geschäftsjahr 2007/2008 habe der Umsatz aus dem Factoring nur 1,6 Prozent ausgemacht, im nachfolgenden Geschäftsjahr 2009/2009 3,1 Prozent. Der Rest sei mit dem Verkauf eigener Aktien erlöst worden.
„Auch wenn der Geschäftszweck der Gesellschaft nicht ausschließlich in dem Verkauf eigener Aktien bestand, so können diese Umsatzzahlen doch darauf hindeuten, dass in Wahrheit darin der Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit lag und das Factoring von ihr nicht ernsthaft und eher nur am Rande betrieben wurde“, heißt es hierzu in dem Karlsruher Urteil.
Darauf deuteten auch Zeugenaussagen hin, wonach die Aktiengesellschaft über keinerlei professionelles Inkassoprogramm zum Einzug der aufgekauften Forderungen verfügte. Umsätze und Sicherheit der Anlage seien von den Aktienverkäufern viel zu günstig dargestellt worden.
Im konkreten Fall hat der BGH noch kein abschließendes Urteil gefällt. Er rügte, dass in der Vorinstanz das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf all diese Umstände nicht berücksichtigt habe. Dies soll das OLG in einer neuen Verhandlungsrunde nun nachholen.
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