ZIVILRECHT
BGH: Schadensersatzansprüchen des Gewinners eines Architektenwettbewerbs
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Bundesgerichtshof zu Schadensersatzansprüchen des Gewinners eines Architektenwettbewerbs für ein kommunales Bauvorhaben
Der III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hat sich zu der Frage geäußert, wann ein triftiger (wichtiger) Grund vorliegt, der eine Gemeinde, die einen Architektenwettbewerb für ein öffentliches Bauvorhaben durchgeführt hat, berechtigt, sich von der Zusage zu lösen, dem Preisträger weitere Arcitektenleistungen für das Objekt zu übertragen.
Die beklagte Stadt hatte Anfang 1993 für Architekten einen Realisierungswettbewerb für eine integrierte Gesamtschule ausgeschrieben. In ihren allgemeinen Auslobungsbedingungen (AAB), die ihrerseits auf den Grundsätzen und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens aus dem Jahre 1977 beruhten (GRW 1977), hatte sie erklärt, sie beabsichtige, dem Gewinner die weitere Bearbeitung der Aufgabe, mindestens die Leistungsphasen 2 bis 5 des § 15 HOAI, zu übertragen. Die Kläger, freischaffende Architekten, gewannen den mit 30.000 DM dotierten ersten Preis. Anschließend erhielten sie den Auftrag für die Vorplanung des Schulneubaus auf der Grundlage ihres preisgekrönten Entwurfs. In der Folgezeit realisierte die Stadt wegen der Verschlechterung ihrer finanziellen Situation nicht die Planung der Kläger, sondern griff auf einen kostengünstigeren Entwurf ihres Bauamtes zurück. Die Kläger erhielten daher - entgegen den AAB - keinen Auftrag für die weiteren Leistungsphasen 3 bis 5. Sie verlangen von der beklagten Stadt Schadensersatz in Höhe des ihnen insoweit entgangenen Gewinns. Das Berufungsgericht hat diesen Anspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt und den Einwand der beklagten Stadt zurückgewiesen, sie sei berechtigt gewesen, aus triftigem (wichtigem) Grund von ihrer Zusage abzurücken.
Der III. Zivilsenat vermochte die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht zu teilen.
Zwar hatte die Beklagte in den AAB eine rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung über die Betrauung des ersten Preisträgers mit den Architektenleistungen abgegeben. Diese Bindung des Auslobers ist in der - hier noch nicht einschlägigen - Neufassung der GRW aus dem Jahre 1995 dahin intensiviert worden, daß es nunmehr heißt: "Bei Realisierungswettbewerben hat [Hervorhebung nicht im Original] der Auslober einem oder mehreren Preisträgern, …, die für die Umsetzung des Wettbewerbs notwendigen weiteren Planungsleistungen zu übertragen, sofern kein wichtiger Grund einer Beauftragung entgegensteht, …".
Diese Zusage galt jedoch nur für den Regelfall. Aus triftigem (wichtigem) Grund durfte die Beklagte von ihrer Zusage abrücken. Für Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts kann dies zu bejahen sein, wenn wirtschaftliche Gründe - etwa, weil einkalkulierte Subventionen nachträglich gestrichen werden oder Steuereinnahmen "wegbrechen" - es erforderlich machen, von der Verwirklichung des preisgekrönten Entwurfs abzusehen und sich für einen alternativen Entwurf zu entscheiden, welcher in der neuen Situation realisierbar erscheint. Bei der gebotenen Betrachtungsweise "ex ante" konnte bereits ein nicht zu erwartendes drastisches Absinken der Steuereinnahmen der Beklagten insoweit einen hinreichend triftigen Grund geben. Hier waren die Gewerbesteuereinnahmen der beklagten Gemeinde im Jahre 1993 gegenüber denjenigen aus dem Jahre 1992, die die finanzielle Grundlage für den Realisierungswettbewerb gebildet hatten, um nahezu 12 Mio. DM zurückgegangen und wurden in den folgenden Jahren nicht mehr ausgeglichen. Auch nach mehreren vereinfachenden Umplanungen auf der Grundlage des preisgekrönten Entwurfs der Kläger ergaben sich im Vergleich zu dem von dem Bauamt der Beklagten vorgelegten Entwurf immer noch Mehrkosten von maximal 1,4 Mio. DM, die im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Baumaßnahme so erheblich waren, daß hieraus ein triftiger Grund hergeleitet werden konnte.
Dem III. Zivilsenat war eine eigene abschließende Entscheidung nicht möglich, da der Sachverhalt noch nicht hinreichend aufgeklärt war. Insbesondere war das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, der Behauptung der Kläger nicht weiter nachgegangen, bei Annahme realistischer Kosten hätte die Kostendifferenz viel weniger als 1,4 Mio. DM betragen.
Der Senat hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Klärung dieser Fragen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Urteil vom 27. Mai 2004 - III ZR 433/02
Karlsruhe, den 27. Mai 2004