VERWALTUNGSRECHT
Bund und Länder müssen Polizisten mehr Freizeitausgleich gewähren
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Leipzig (jur). Polizeibeamte haben für angeordnete Bereitschaftsdienste Anspruch auf einen vollen Freizeitausgleich. Denn Bund und Länder müssen „die Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit jedenfalls im Gesamtergebnis“ gewährleisten, entschied am Donnerstag, 18. November 2016, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem Grundsatzurteil (Az.: 2 C 21.15, 2 C 3.16 und weitere). Damit muss der Dienstherr insbesondere bei mehrtägigen heimatfernen Einsätzen der Beamten den Bereitschaftsdienst im Verhältnis „1 zu 1“ durch Freizeit ausgleichen. Ein geringerer Freizeitausgleich ist nicht zulässig.
Geklagt hatten mehrere Bundespolizisten, die mehrere Monate in den deutschen Botschaften in Kabul und Bagdad für den Personen- und Objektschutz zuständig waren, sowie ein Polizeibeamter des Landes Berlin. Alle Beamten mussten Mehrarbeit in Form von angeordneten Bereitschaftsdiensten leisten.
Doch einen vollen Freizeitausgleich bekamen die Polizisten für ihre Arbeit nicht. So wurde der Berliner Polizeibeamte mehrfach für mehrere Tage an andere Bundesländer „ausgeliehen“, beispielsweise für den Schutz von Castor-Transporten in Gorleben. Für einen geleisteten Bereitschaftsdienst von drei Tagen erhielt der Beamte aber nur einen Tag Freizeitausgleich.
Diese übliche Praxis bei der Polizei machte das Bundesverwaltungsgericht nicht mit. Für einen angeordneten Bereitschaftsdienst müsse es einen vollen Freizeitausgleich geben. Denn der Freizeitausgleich diene nicht nur zur Regeneration des Beamten, „sondern hat in erster Linie den Zweck, die Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit jedenfalls im Gesamtergebnis zu gewährleisten“, so die Leipziger Richter.
Keinen Erfolg hatten die Kläger, soweit sie für geleistete sogenannte reine Rufbereitschaften einen vollen Freizeitausgleich beanspruchten. Im Unterschied zur angeordneten Mehrarbeit in Form von Bereitschaftsdienst muss der Beamte bei einer Rufbereitschaft nicht persönlich in der Dienststelle anwesend sein. Es reicht hier aus, dass er für den Dienstherrn ständig erreichbar ist, um seinen Dienst auf Abruf aufnehmen zu können.
Auch für bloße Anwesenheitszeiten – wie im konkreten Fall in einer Botschaft – gibt es laut Bundesverwaltungsgericht keinen Freizeitausgleich, wenn der Beamte dabei nicht dienstlich in Anspruch genommen wird. Hat der Polizeibeamte einen Freizeitausgleich für einen im Ausland geleisteten Dienst erhalten, diesen aber im Inland in Anspruch genommen, könne er zudem keine Auslandsbesoldung beanspruchen. Denn die Auslandsbesoldung bezwecke einen Ausgleich für Erschwernisse des Dienstes im Ausland, setze also einen Aufenthalt im Ausland voraus.
Dass nun Mehrarbeit in Form von Bereitschaftszeiten in vollem Stundenumfang in Freizeit auszugleichen ist, wird Bund und Länder einiges kosten und erhöht den Druck, mehr Polizeibeamte einzustellen. „Allein die Bundespolizisten haben aktuell rund 2,2 Millionen Überstunden angesammelt“, sagte Christian Hoffmeister, Referent für Beamtenpolitik bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Die Landespolizeibeamten seien 2015 sogar auf 18 Millionen Überstunden gekommen. Ein Großteil der geleisteten Überstunden basiert laut Hoffmeister auf angeordnete, mehrtägige Einsätze, angefangen von großen Demonstrationen bei Castor-Transporten bis hin zum Schutz von Politikern wie dem Besuch von US-Präsident Barack Obama. Um die Überstunden einigermaßen in den Griff zu bekommen, müssten nach den GdP-Berechnungen 9.000 Polizisten neu eingestellt werden.
Haben Beamte im Jahr 2015 Mehrarbeit in Form von angeordneten Bereitschaftsdiensten geleistet, können sie laut Hoffmeister noch bis Ende dieses Jahres hierfür einen vollen Freizeitausgleich geltend machen. Danach sei der Anspruch für 2015 verfallen.
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