Bundesfinanzhof ändert Rechtsprechung zum sog. anschaffungsnahen Aufwand
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Zur steuerrechtlichen Beurteilung sog. anschaffungsnaher Aufwendungen - Feststellungslast hinsichtlich der Tatsachen, die eine wesentliche Verbesserung begründen - Voraussetzung einer Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO
Leitsätze
1. Sog. anschaffungsnahe Aufwendungen sind nicht allein wegen ihrer Höhe oder ihrer zeitlichen Nähe zur Anschaffung eines Gebäudes als Herstellungskosten zu beurteilen; soweit sie nicht der Herstellung oder Erweiterung eines Gebäudes dienen, stellen sie nur dann Herstellungskosten dar, wenn sie zu seiner wesentlichen Verbesserung gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen (Änderung der Rechtsprechung).
2. Instandsetzungsmaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, können in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotential) eines Wohngebäudes gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs deutlich erhöht wird (Bestätigung des BFH-Urteils vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632).
3. Der Gebrauchswert eines Wohngebäudes wird insbesondere durch die Modernisierung derjenigen Einrichtungen erhöht, die ihn maßgeblich bestimmen: Das sind vor allem die Heizungsinstallationen, Sanitärinstallationen und Elektroinstallationen sowie die Fenster. Eine deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts ist immer dann gegeben, wenn durch die Modernisierung ein Wohngebäude von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird.
4. Instandsetzungsmaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums können als Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu werten sein, wenn sie zwar für sich gesehen noch nicht zu einer wesentlichen Verbesserung führen, wenn sie aber Teil einer Gesamtmaßnahme sind, die sich planmäßig in zeitlichem Zusammenhang über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt und die insgesamt zu einer wesentlichen Verbesserung führt (Sanierung "in Raten").
Zusammenfassung:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Grundsatzentscheidungen vom 12. September 2001 IX R 39/97 und IX R 52/00 seine Rechtsprechung zum sog. anschaffungsnahen Aufwand bei Immobilien geändert.
Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung eines Wohngebäudes sind dann nicht sofort als Werbungskosten (§ 9 des Einkommensteuergesetzes -EStG-) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt; in diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung zu berücksichtigen. Die ältere Rechtsprechung und ihr folgend die Finanzverwaltung (vgl. Abschnitt 157 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien) hatten solche Aufwendungen, wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gebäudes (in der Regel innerhalb von drei Jahren) angefallen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch waren, grundsätzlich als Herstellungskosten beurteilt, auch wenn es sich um typische Erhaltungsaufwendungen (z.B. für Reparaturen) handelte. Diese Rechtsprechung hat der BFH nun aufgegeben. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich allein nach § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB):
1. Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung eines Wohngebäudes im Anschluss an den Erwerb sind Anschaffungskosten, wenn sie geleistet werden, um das Gebäude "in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen" (§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB), d.h. um es bestimmungsgemäß nutzen zu können. Die konkrete Art und Weise, in der das Grundstück zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart genutzt werden soll, bestimmt der Erwerber. Will er ein leerstehend erworbenes Gebäude zu Wohnzwecken nutzen, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard das Gebäude entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen, die das Gebäude auf einen höheren Standard bringen, machen es betriebsbereit; ihre Kosten sind Anschaffungskosten. Für den Standard eines Wohngebäudes ist in diesem Zusammenhang vor allem die Ausstattung und Qualität der Heizungs-, Sanitär-, und Elektroinstallationen und der Fenster ausschlaggebend.
Abgesehen davon sind Kosten für Baumaßnahmen nach dem Erwerb und vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes Anschaffungskosten, wenn funktionsuntüchtige Teile wieder hergestellt werden, die für seine Nutzung unerlässlich sind, z.B. bei einer defekten Heizung, bei die Bewohnbarkeit ausschließenden Wasser- oder Brandschäden.
2. Wird ein Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs bereits genutzt, z.B. durch Vermietung, und setzt der Erwerber die Vermietung fort, so ist das Gebäude insoweit bereits betriebsbereit. Aufwendungen nach dem Erwerb sind dann entweder sofort abziehbare Werbungskosten oder Herstellungskosten. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, können in ihrer Gesamtheit zu einer "wesentlichen Verbesserung" (§ 255 Abs. 2 Satz 1 HGB) und damit zu Herstellungskosten führen. Dies ist der Fall, wenn durch die Modernisierung vor allem der Heizungs-, Sanitär-, und Elektroinstallationen und der Fenster ein Wohngebäude von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird.
Die Entscheidungen sind erst jetzt veröffentlicht worden, weil Abstimmungen unter den fachlich zuständigen Senaten des BFH notwendig waren.