VERFASSUNGSRECHT
Bundesverfassungsgericht billigt Aufbaufonds „Next Generation EU“
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Bundesverfassungsgericht © Symbolgrafik:© U. J. Alexander - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nun auch im Hauptverfahren abschließend grünes Licht für den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Aufbaufonds der EU gegeben. Mit einem am Dienstag, 6. Dezember 2022, veröffentlichten Urteil wiesen die Karlsruher Richter zwei Verfassungsbeschwerden gegen die deutsche Zustimmung zu dem Fonds ab (Az.: 2 BvR 547/21 und 2 BvR 798/21).
Die EU hatte den Aufbaufonds „Next Generation EU“ im Juli 2020 beschlossen. Danach will die EU Kredite bis über 750 Milliarden Euro aufnehmen, um gegen die Folgen der Corona-Pandemie anzugehen. Die Gelder sollen teils als Finanzhilfen und teils als Darlehen an die Mitgliedsstaaten vergeben werden.
Nach dem Finanzierungsschlüssel des EU-Budgets soll Deutschland 190 Milliarden Euro für das „COVID-19-Aufbaupaket“ aufbringen. Wegen der im Grundgesetz verankerten Haushaltshoheit des Bundestages war hierfür ein Gesetz erforderlich. Dieses „Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz“ wurde am 25. März 2021 im Bundestag und dann am Folgetag im Bundesrat verabschiedet.
Gegen dieses Zustimmungsgesetz wandte sich unter anderem das „Bündnis Bürgerwille“ um den früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke. Dessen Eilantrag hatte das Bundesverfassungsgericht bereits am 15. April 2021 abgewiesen (Az.: 2 BvR 547/21; JurAgentur-Meldung vom 21. April 2021). Danach konnte der Bundespräsident das Ratifizierungsgesetz ausfertigen und die Bundesregierung in Brüssel dem Fonds zustimmen.
Die Beschwerdeführer kritisieren insbesondere eine „gegenseitige Ausfallhaftung für die aufgenommenen Schulden“. Diese könne dazu führen, „dass potenziell allein Deutschland für die gesamte Schuldensumme von 750 Milliarden Euro in Anspruch genommen werden könnte“. Dies verstoße gegen die Haushaltshoheit des Bundestages und auch gegen die Finanzierungsregeln der EU selbst.
Doch die deutsche Zustimmung zu dem Fonds „verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Recht auf demokratische Selbstbestimmung“, entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Dabei verwies es auf das „geltende Integrationsprogramm der Europäischen Union“. Dessen Grenzen würden nicht überschritten und auch die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages sei nicht beeinträchtigt worden.
Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, das Programm ermächtige die EU-Kommission zur Aufnahme von Krediten. Dies sei aber zeitlich befristet und der Höhe nach begrenzt. Offensichtlich unzulässig dürfte die Aufnahme von Krediten durch die Europäische Union am Kapitalmarkt dagegen dann sein, „wenn sie allgemein zur Haushaltsfinanzierung erfolgt“, heißt es in dem Karlsruher Beschluss.
Der sogenannte Eigenmittelbeschluss der EU schließe dies aber ausdrücklich aus. Das Geld sei zur Bewältigung der gravierenden wirtschaftlichen Probleme im Zuge der Corona-Pandemie gedacht.
Jedenfalls als Ausnahme für einzelne Jahre könne die hohe Kreditaufnahme auch ihre Grundlage im EU-Recht finden. Über mehrere Jahre gesehen sei der geplante Umfang aber auf jeden Fall vom EU-Recht gedeckt. Daher hielt das Bundesverfassungsgericht es nicht für erforderlich, die Frage der Vereinbarkeit der Kreditaufnahme mit den eigenen Regeln der EU dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorzulegen.
Schulden anderer EU-Staaten übernehme Deutschland im Rahmen des Programms nicht, so das Bundesverfassungsgericht weiter. Das gelte selbst dann, wenn Deutschland später weitere Mittel nachschießen muss. Auch den hierbei geltenden Regeln habe der Bundestag zugestimmt.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock