VERWALTUNGSRECHT
Bundesverwaltungsgericht stärkt Hanau-Untersuchungsausschuss
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Leipzig (jur). Das Bundesverwaltungsgericht hat das Recht von Untersuchungsausschüssen auf Einsicht in Akten anderer Behörden gestärkt. Die Nachweispflicht, dass angeforderte Unterlagen nicht nötig sind, liegt bei der angegangenen Behörde, entschieden die Leipziger Richter in einem am Dienstag, 14. Februar 2023, veröffentlichten Beschluss zum Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Terroranschlag in Hanau (Az.: 6 VR 2.22).
Bei dem rassistischen Anschlag am 19. Februar 2020 wurden neun Hanauer Bürger mit Migrationshintergrund ermordet. Der rechtsextreme Täter hatte anschließend in der elterlichen Wohnung seine Mutter und sich selbst erschossen. Der Untersuchungsausschuss soll mögliche Versäumnisse und Fehler der hessischen Landesregierung und der Sicherheitsbehörden aufklären. Dadurch sollen sich Hinweise auf einen möglichen Veränderungsbedarf bei den hessischen Sicherheitsbehörden ergeben.
Im Juli 2021 hatte der Ausschuss verschiedene Unterlagen zu dem Anschlag beim Generalbundesanwalt angefordert. Dieser gab mehrere Aktenordner heraus. Fotos der Leichen, die Obduktionsberichte sowie toxische Gutachten und Alkoholbefunde zu den Opfern sowie dem Täter und seinem Vater erhielt der Untersuchungsausschuss aber nicht. Der Ausschuss habe nicht nachgewiesen, wofür er diese benötige, so der Generalbundesanwalt.
Mit seinem Eilbeschluss gab das Bundesverwaltungsgericht nun aber dem Auskunftsbegehren des Untersuchungsausschusses weitgehend statt. Lediglich die Ergebnisse bestimmter Untersuchungen des Vaters des Täters muss danach der Generalbundesanwalt nicht herausgeben.
Zur Begründung verwiesen die Leipziger Richter auf die weite Unabhängigkeit der Untersuchungsausschüsse. Im Rahmen des hier vom Hessischen Landtag formulierten Untersuchungsauftrags könnten diese insbesondere über die Untersuchungstiefe selbst entscheiden. Anders als etwa in einem Strafverfahren gehe es im konkreten Fall nicht um die Schuld bestimmter Personen. Der Ausschuss wolle letztlich „Licht ins Dunkel“ bringen, um aus einem Gesamtbild politische Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Dabei müsse nicht der Ausschuss nachweisen, welche Akten er für seine Arbeit benötigt. Vielmehr müsse umgekehrt hier der Generalbundesanwalt nachweisen, dass Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst sind. Das habe er nicht getan.
Auch der postmortale Persönlichkeitsschutz der Opfer und des Täters stehe der Herausgabe der Fotos und Akten nicht entgegen. Anders als bei Lebenden sei dieser Schutz darauf beschränkt, nicht herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Das sei durch die hier begehrten Fotos und Berichte nicht der Fall. Auch habe der Untersuchungsausschuss eigene Möglichkeiten und Instrumente, um den Intimbereich Verstorbener zu wahren. Dass im Einzelfall dennoch Informationen an die Öffentlichkeit gelangen können, stehe der Herausgabe nicht entgegen.
Nach dem Leipziger Eilbeschluss vom 27. Januar 2023 kann der Untersuchungsausschuss lediglich die Herausgabe von Unterlagen zu bestimmten Behandlungen des Vaters des Täters nicht verlangen, weil diese erst nach dem Anschlag erfolgt seien.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock