BEAMTENRECHT
BVerwG: Besitz von Kinderpornografie für Beamte und Lehrer nicht mehr zwingend Entlassungsgrund
Autor: Thomas M. Amann - Rechtsanwalt
§ 184b StGB - Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften: Wer pornographische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben (kinderpornographische Schriften), verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Mit Urteil vom 19. August 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig unter dem Aktenzeichen BVerwG2 C 5.10/ BVerwG2 C 13.10 nun entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis entschieden, dass angemessene Disziplinarmaßnahmen bei kinderpornographischen Dateien im Besitz von Beamten vom Einzelfall abhängen.
Hintergrund der Entscheidung waren die Disziplinarklageverfahren gegen zwei Beamte, die sich kinderpornographische Dateien auf ihre Heimcomputer geladen hatten.
Strafrechtlich wurden die beiden Beamten (Studienrat und Zollinspektor) jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. In den anschließenden Dienstverfahren bzw. Disziplinarverfahren wurden die Beamten aus dem Dienst entfernt. Diese Urteile hat Bundesverwaltungsgericht aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an die zuständigen Oberverwaltungsgerichte zurückverwiesen.
In den Entscheidungsgründen des Urteils führte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem aus, dass die Beurteilung nach der im konkreten Einzelfall angemessenen Disziplinarmaßnahme davon abhängt, ob das außergerichtliche Verhalten lediglich das Ansehen des Berufsbeamtentums beeinträchtigt oder einen Bezug zur individuellen Amtsausübung aufweist. Im ersten Fall ist die Schwere des Dienstvergehens mangels anderer rechtlicher Maßstäbe nach der gesetzlichen Strafandrohung zu bewerten. Zur Ahndung des reinen Besitzes (Achtung: Anders bei Verbreiten!) kinderpornopraphischer Dateien sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe vor. Dem entspricht im Disziplinarrecht ein Bewertungsrahmen, der regelmäßig nur unter besonderen Umständen über eine Gehaltskürzung hinausgeht.
Hat das außerdienstliche Fehlverhalten - wie bei einem Lehrer, der regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen arbeitet - einen Bezug zu dem ausgeübten Amt, der Rückschlüsse auf ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein bei der Erfüllung der Dienstpflichten zulässt, ist neben dem Strafrahmen insbesondere auch die Intensität der amtsbezogenen Vertrauensbeeinträchtigung bedeutsam. Bei einem nach § 184b StGB a.F. (alte Fassung) früher geltenden Strafrahmen von bis zu einem Jahr rechtfertigt der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Dateien auch bei einem Lehrer nur unter besonderen Umständen die Entfernung aus dem Dienst.
Damit ist diese Entscheidung der obersten deutschen Verwaltungsrichter in jedem Fall kein "Freibrief" für Lehrer und andere Beamte, die in ein Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes kinderpornographischer (§ 184b StGB) oder jugendpornographischer Schriften (§ 184c StGB) involviert sind.
Ob im einzelnen Fall eine Entlassung drohen kann sowie ob und wie sie verhindert werden kann, hängt mithin vom Zusammenspiel einiger individueller Faktoren ab und ist einer pauschalierten Betrachtung nicht zugänglich.
Zu beherzigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass diese kurzen Ausführungen lediglich einen ersten groben Überblick über die aktuelle Rechtslage um den Straftatbestand der Kinderpornographie/Jugendpornographie und einen Einblick in das äußerst komplexe Strafverfahren und seine Rechtsfolgen geben und in keinem Fall eine individuelle Rechtsberatung ersetzen können, da jeder Fall grundsätzlich anders gelagert und damit anders zu handhaben ist.
Besonders in Verfahren nach § 184b und § 184c StGB kann umso mehr erreicht werden, je früher ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger des Vertrauens eingeschaltet wird. Der Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger wird daher auch dieses Problemfeld sorgfältig mit seinem Mandanten erörtern und gemeinsam mit ihm risikominimierende Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Erlangt der Dienstherrr auf die eine oder andere Art Kenntnis von dem laufenden Ermittlungsverfahren, sind unverzüglich die arbeitsrechtliche Situation anwaltlich zu prüfen und ggf. geeignete (Gegen-) Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und zur Sicherung der Existenz bzw. Lebensgrundlage einzuleiten. Wie gesagt, berechtigt nicht jedes Strafverfahren zu einer Entlassung bzw. Entfernung aus dem Dienst.