ARBEITSRECHT
Corona und die rechtlichen Folgen im Arbeitsrecht und Vertragsrecht:
Autor: Tanja Fuß - Rechtsanwältin
Corona-Virus und die rechtlichen Folgen im Arbeitsrecht und Vertragsrecht:
Vom Lohnanspruch bzw. Lohnausfall von Arbeitnehmern bzw. Verdienstausfall von Selbständigen u. Freiberuflern bei einer Quarantäne oder staatlich angeordneten Schließung, geschlossenen Kitas, Kurzarbeit, Abbau von Überstunden und Urlaub, Home Office, Dienstreisen, Informations- und Fürsorgepflichten und Störungen im Betriebsablauf bis hin zu Lieferverzug und der Stornierung von Verträgen bzw. Absage von Veranstaltungen
Befugnisse der staatlichen Behörden (Kontrollen, Ausgangssperren, Einreiseverbote, Quarantäne)
Welche Maßnahmen die Behörden in Bezug auf die Eindämmung des Corona-Virus ergreifen können, legt vor allem das Infektionsschutzgesetz (IFSG) fest. In Betracht kommt insbesondere die Kontrolle von Reisenden in Flugzeugen, Bahnen und Bussen, das Verbot von Großveranstaltungen wie Messen (z.B. ITB in Berlin), das Verbot, einen bestimmten Ort zu verlassen oder die Anordnung einer Quarantäne zu Hause bzw. im Krankenhaus. Zuständig für entsprechende Anordnungen ist in erster Linie das Gesundheitsministerium des jeweiligen Bundeslandes.
Wird eine Quarantäne oder eine Ausgangssperre angeordnet, ist diese Anordnung bindend und jeder Betroffene muss sich daran halten. Widersetzt sich ein Betroffener, kann die Einhaltung nach Einholung eines richterlichen Beschlusses zwangsweise (z.B. mit Hilfe der Polizei oder per Einschließen im Krankenhauszimmer) durchgesetzt werden bzw. es können Bußgelder in erheblicher Höhe verhängt werden.
Lohnanspruch von Arbeitnehmern während einer Quarantäne bzw. einer staatlich angeordneten Schließung u. Erstattungsanspruch des Arbeitgebers
Ist der Betroffene wirklich am Corona-Virus erkrankt, wird er krankgeschrieben und bekommt – wie bei anderen Erkrankungen auch – für 6 Wochen Lohnfortzahlung von seinem Arbeitgeber. Danach gibt es (das in der Höhe geringere) Krankengeld von der Krankenkasse.
Erfolgt die Quarantäne nur vorbeugend, da ein Verdacht auf Ansteckung besteht, gilt im Ergebnis das Gleiche. Grundlage ist dann aber nicht das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) sondern das Infektionsschutzgesetz (IFSG). Auch bei einer staatlich angeordneten Schließung eines Betriebes greift das IFSG. Der Arbeitnehmer hat dann einen Entschädigungsanspruch in Höhe des Verdienstausfalls (Nettogehalt). Die Auszahlung erfolgt über den Arbeitgeber, d.h. der Arbeitgeber zahlt das Nettogehalt an den Arbeitnehmer und kann sich anschließend die geleisteten Zahlungen auf Antrag von der zuständigen Behörde erstatten lassen.
Verdienstausfall von Selbständigen bzw. Freiberuflern während einer Quarantäne bzw. staatlich angeordneten Schließung
Anders als das Entgeltfortzahlungsgesetz gilt das Infektionsschutzgesetz (IFSG) auch für Selbständige und Freiberufler. Sie erhalten somit auf Antrag auch den Verdienstausfall ersetzt. Aufgrund des unregelmäßigen Einkommens von Selbständigen und Freiberuflern ist lediglich die Berechnung der Höhe schwieriger. Ruht der Betrieb oder die Praxis, werden zudem die weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang ersetzt. Die Zahlung erfolgt jeweils rückwirkend am Monatsersten für den vergangenen Monat.
Kurzarbeit, Anordnung des Abbaus von Überstunden bzw. Anordnung von Urlaub u. Home Office
Im Zuge der Corona-Krise wurde der Bezug von Kurzarbeitergeld erleichtert. Sind mindestens 10 % der Beschäftigten (bisher waren 1/3 nötig) vom Arbeitsausfall betroffen, kann der Arbeitgeber – rückwirkend zum 1. März – Kurzarbeitergeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. Die Arbeitsagentur übernimmt dann 60-67 % des ausgefallenen Nettogehalts. Auch die Sozialabgaben werden übernommen. Die mögliche Bezugsdauer wurde auf bis zu 24 Monate verlängert. Vorrangig müssen aber Überstunden und Zeitguthaben auf Arbeitszeitkonten abgebaut werden. Die Anforderungen an die Ausnutzung eines Arbeitszeitkontos wurden aber gelockert. Beim Urlaub ist die Rechtslage nicht so eindeutig. Dringende betriebliche Gründe können aber den Urlaubswünschen der Arbeitnehmer entgegenstehen, so dass der Abbau von Urlaub angeordnet bzw. die Anordnung von Betriebsferien bzw. Betriebsurlaub zulässig sein kann.
Sind nicht nur bestimmte Bereiche des Unternehmens bzw. Betriebes betroffen, muss der Arbeitgeber die betroffenen Arbeitnehmer nach „billigem Ermessen“ auswählen, darf also nicht willkürlich vorgehen.
Alternativ kommt je nach den konkreten Umständen die Arbeit von zu Hause aus (Home Office) in Betracht.
Inwieweit der Arbeitgeber solche Maßnahmen einseitig anordnen bzw. der Arbeitnehmer sie verlangen kann, hängt maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalles und den Regelungen im Arbeitsvertrag bzw. Tarifvertrag ab.
Kann der Arbeitgeber Dienstreisen anordnen bzw. ist der Arbeitnehmer zu Dienstreisen verpflichtet?
Ob ein Arbeitnehmer grundsätzlich zu Dienstreisen verpflichtet ist, hängt von den Regelungen im Arbeitsvertrag ab. Aber auch wenn dies der Fall ist, muss die Weisung, eine konkrete Dienstreise zu machen, „billigem Ermessen“ entsprechen. Dafür müssen die betrieblichen Interessen an der Dienstreise mit den Interessen des Arbeitnehmers abgewogen werden. Bei Reisen in Gebiete mit Corona-Virus-Fällen kommt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und dem Schutz der Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers eine große Bedeutung zu. Muss von einer erheblichen Gefährdung des Arbeitnehmers ausgegangen werden, entspricht die Anordnung einer Dienstreise im Regelfall nicht billigem Ermessen. Dies ist insbesondere bei einer offiziellen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das entsprechende Gebiet der Fall. Der Arbeitnehmer ist dann berechtigt, die Dienstreise zu verweigern. In der aktuellen Situation dürften Dienstreisen angesichts der Einreiseverbote und Ausgangssperren in zahlreichen Ländern und Regionen aber ohnehin kaum noch in Betracht kommen.
Informationspflichten und Fürsorgepflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmern
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern. Sie sind daher in der aktuellen Situation verpflichtet, die Lage zu beobachten und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz ihrer Arbeitnehmer zu ergreifen. Dies reicht von Verhaltensregeln und Hygieneregeln am Arbeitsplatz (Aufklärung, Verzicht auf Händeschütteln, räumlicher Mindestabstand zwischen Arbeitskollegen, regelmäßiges Händewaschen, Husten und Niesen in Armbeuge statt in Hand, Bereitstellung von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln bzw. Schutzmasken und Handschuhen), über die Anordnung von Home Office, den Verzicht auf Dienstreisen, den Verzicht auf unnötige Meetings und Zusammentreffen mit Kollegen bzw. Kunden aus dem Ausland bis hin zur Rückholung von Arbeitnehmern aus gefährdeten Gebieten.
Je nach den Umständen des Einzelfalls kann auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehen, einen Rückkehrer aus einem Risikogebiet aufzufordern, zu Hause zu bleiben, um die anderen Arbeitnehmer vor Ansteckung zu schützen.
Doch auch Arbeitnehmer haben Rücksichtnahmepflichten. Kommt ein Arbeitnehmer aus einem Risikogebiet zurück, z.B. weil er dort Urlaub gemacht hat, ist er verpflichtet, dies umgehend dem Arbeitgeber mitzuteilen. Dann muss der Arbeitgeber entscheiden, ob dieser Arbeitnehmer zur Arbeit kommen oder vorsorglich zu Hause bleiben soll. Je nach Art der Tätigkeit kann auch die Möglichkeit bestehen, solche Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum räumlich entfernt von anderen Mitarbeitern oder in Home Office arbeiten zu lassen.
Störungen im Betriebsablauf durch Corona-Virus
Wenn Materiallieferungen ausbleiben, produzierte Waren nicht zum Kunden geliefert werden können und Lagerkapazitäten erschöpft sind, muss in vielen Betrieben die Produktion gestoppt oder zumindest heruntergefahren werden. Können in einer solchen Situation Arbeitnehmer nicht oder nicht im normalen Umfang beschäftigt werden, muss ihnen grundsätzlich trotzdem der volle Lohn gezahlt werden, da der Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko trägt.
Je nach den Regelungen im Arbeitsvertrag bzw. Tarifvertrag kommt aber die Anordnung von Kurzarbeit in Betracht.
Können Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn die Kita oder Schule geschlossen wird?
Wenn Kindertagesstätten, Kindergärten oder Schulen vorsorglich geschlossen werden, um eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern bzw. einzudämmen, können die Eltern im Notfall – also wenn keine andere Betreuungsmöglichkeit besteht – zu Hause bleiben, um ihre Kinder zu betreuen.
Im Einzelfall zu klären ist dann, ob sie für diese Zeit weiter Anspruch auf ihr Gehalt haben oder nicht. Nach § 616 BGB bleibt der Lohnanspruch erhalten, wenn der Arbeitnehmer für einen überschaubaren Zeitraum unverschuldet aus persönlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Der Arbeitnehmer muss also alles Zumutbare unternehmen, um eine anderweitige Betreuung des Kindes zu ermöglichen. Die Anwendbarkeit von § 616 BGB kann aber im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden.
Der Gesetzgeber plant hierzu jedoch neue Regelungen, nach denen der Arbeitgeber das Gehalt weiter zahlt, die geleisteten Zahlungen aber vom Staat erstattet bekommt.
Was passiert, wenn Liefertermine nicht eingehalten werden können?
Der Arbeitgeber bzw. das Unternehmen sollte zunächst seine Lieferverträge und AGB nach Klauseln zu Lieferterminen, Folgen einer verspäteten Lieferung und Vertragsstraferegelungen prüfen. Je nach konkreter Regelung kann er sich auf höhere Gewalt berufen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung durch die Folgen des Corona-Virus unmöglich geworden ist. Bloße Schwierigkeiten genügen nicht. Ein Schadensersatzanspruch des Kunden wird im Regelfall nicht bestehen, da kein Verschulden vorliegt. Dies gilt aber nicht, wenn im Vertrag eine Vertragsstrafenregelung enthalten ist, denn diese setzt im Regelfall kein Verschulden voraus. Gegebenenfalls besteht auch eine Transportversicherung, die Verspätungsschäden übernimmt.
Absage von Konzerten, Seminaren, Veranstaltungen, Messen etc.
Wird ein Konzert, ein Seminar, eine Veranstaltung, eine Messe oder Ähnliches wegen Corona abgesagt, bekommt der Kunde im Regelfall sein Geld zurück, da die bei Kauf der Karte bzw. Buchung der Veranstaltung vereinbarte Gegenleistung nicht erbracht wird. Auch bei einer Verschiebung des Termins gilt im Regelfall nichts anderes, da der Kunde keinen anderen Termin akzeptieren muss. Bei Dauerkarten gibt es entsprechend anteilig das Geld zurück. Vorsorglich sollte man aber immer einen Blick in die AGB´s werfen, ob dort für solche Fälle etwas anderes geregelt wurde.
Ist ein Standbetreiber, Seminarreferent oder Ähnliches von einer Absage betroffen, sind bereits gezahlte Gelder wie etwa Standgebühren vom Veranstalter zu erstatten. Je nach den konkreten Umständen liegt ein Fall der Unmöglichkeit vor und es besteht ein Rücktrittsrecht vom geschlossenen Vertrag. Erfüllt ein Veranstalter den geschlossenen Vertrag nicht, besteht grundsätzlich ein Anspruch des Vertragspartners auf Schadensersatz bzw. auf Ersatz seiner Aufwendungen (z.B. Fahrtkosten, Hotelkosten). Dieser setzt allerdings ein Verschulden voraus. Da nach dem Gesetz das Verschulden vermutet wird, muss der Veranstalter beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Dies wird bei einer behördlichen Anordnung oder höherer Gewalt (Veranstaltung im Sperrgebiet, offizielle Erklärung der Gesundheitsbehörde, Schutz der Besucher vor Ansteckung) meist der Fall sein. Etwas anderes kann aber z.B. gelten, wenn unnötig kurzfristig abgesagt wird oder dem Vertragspartner zunächst erklärt wurde, dass die Veranstaltung trotz Corona stattfinden wird.
Vorsorgliche Maßnahmen (Zuhausebleiben von Arbeitnehmern, freiwilliges Schließen des Betriebes bzw. vorsorgliche Stornierung von Verträgen oder Reisen)
Von einer vorsorglichen Stornierung, Absage oder Schließung kann aus rechtlichen Gründen – auch wenn dies zum Schutz der Mitmenschen vielleicht sinnvoll ist – im Regelfall nur abgeraten werden. Angst oder Rücksicht sind nun einmal keine rechtlich anerkannten Rücktrittsgründe. Arbeitnehmern droht im schlimmsten Fall eine (fristlose) Kündigung, Urlaubern bzw. Reisenden, Arbeitgebern und sonstigen Vertragspartnern das Sitzenbleiben auf den Kosten.
Geplante Maßnahmen des Gesetzgebers (Schutz von Mietern vor Kündigungen, KfW-Kredite)
Um die Folgen der Corona-Krise abzumildern plant der Gesetzgeber zahlreiche Maßnahmen.
So sollen etwa Mieter für einen bestimmten Zeitraum vor Kündigungen durch den Vermieter geschützt werden, wenn sie wegen Verdienstausfällen die Miete nicht mehr zahlen können. Einzelheiten (wann muss die Miete nachgezahlt werden, was ist wenn der Vermieter auf die Mietzahlungen zur Tilgung von Krediten angewiesen ist) sind noch nicht geklärt.
Unternehmen, Selbständigen und Freiberuflern soll mit günstigen Krediten (KfW-Kredite) und nicht rückzahlbaren Zuschüssen schnell und unbürokratisch geholfen werden. Einzelheiten sind aber auch hier noch nicht geklärt.
Empfehlung
Da Vieles von den konkreten Umständen des Einzelfalles sowie von den Regelungen im jeweiligen Vertrag abhängt, sind pauschale Aussagen kaum möglich. Wenn Sie betroffen sind, rufen Sie daher am besten gleich bei uns an und vereinbaren einen Termin für eine individuelle – persönliche oder telefonische – Beratung. Wenn Sie keine Rechtsschutzversicherung haben, die die Kosten einer Beratung übernimmt, können wir Ihnen auch Beratungen zum Pauschalpreis anbieten, etwa eine Erstberatung bis zu 30 Minuten für 59,50 €.
Warten Sie nicht zu lange, da nicht absehbar ist, ob es trotz der staatlichen Hilfen zu Insolvenzen kommt und daher bestehende Ansprüche möglicherweise nicht mehr durchgesetzt werden können.
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