STRAFRECHT
Cum-Ex-Täter dürfen Taterlöse auch bei Verjährung nicht behalten
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Karlsruher. Beute muss von Straftätern auch dann herausgeben werden, wenn der Rückgabeanspruch oder die Tat selbst bereits verjährt sind. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat mit Beschluss vom Freitag, 29.04.2022 entschieden, dass dies „wegen überragender Belange des Gemeinwohls zulässig“ ist und zur Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals auch nachträglich eingeführt werden durfte (Az.: 2 BvR 2194 /21). Als Ergebnis bestätigte es damit die Einziehung von rund 176 Millionen Euro bei der Warburg Bank.
Bei Cum-Ex-Geschäften handelt es sich um Aktienhandel im Umfeld von Dividendenausschüttung. Mit komplexen Transaktionen gelang es den Tätern, die Steuerbehörden dazu zu bringen, auf Dividenden fällige Kapitalertragssteuern zu „erstatten“, die nie gezahlt wurde. So wurden Staat und Steuerzahler um Milliarden betrogen. Diese Praxis wurde erst 2012 durch Gesetzesänderungen effektiv beendet.
Der Bundesgerichtshof Karlsruhe (BGH) hat am 28. Juli 2021 entschieden, dass derartige Geschäfte schon vor einer Gesetzesänderung strafbar waren (Az.: 1 StR 519/20). Die Karlsruher Richter bestätigten damit die Bewährungsstrafen von zwei Investmentbankern durch das Landgericht Bonn und auch die Einziehung der Taterträge, darunter rund 176 Millionen Euro bei der Hamburger Privatbank Warburg.
Die am 29. Dezember 2020 in Kraft getretenen Änderungen des Strafgesetzbuches ermöglichten die Einziehung von Geldern. Dementsprechend können Gerichte auch dann noch Erlöse aus Straftaten einziehen, wenn die Straftat oder der Anspruch auf Rückgabe verjährt sind. In einigen Fällen, darunter z.B. schwere Steuerhinterziehung, gilt dies rückwirkend.
Die Warburg Bank machte vor dem Bundesverfassungsgericht geltend, die Taten seien nach der Abgabenordnung verjährt. Eine rückwirkende Neuregelung sei verfassungswidrig.
Die Beschwerde wurde mit der nun schriftlich veröffentlichten Entscheidung vom 7. April 2022 abgewiesen. Demnach ist hier die „echte Rückwirkung“ wegen der überragenden Belange des Gemeinwohls ausnahmsweise zulässig. Damit habe der Gesetzgeber „eine gleichheitswidrige Abschöpfungslücke“ schließen und damit „in die Gegenwart fortwirkende Störungen der Vermögensordnung“ beseitigen wollen.
In der Karlsruher Entscheidung heißt es, dass eine einmal begangene strafbare Handlung ihren Unrechtscharakter nicht dadurch verliere, dass „die aus ihr gezogenen steuerlichen Vorteile auf der Grundlage der Abgabenordnung nicht mehr zurückgefordert werden können“. Die Verjährungsfristen im Strafrecht und auch im Steuerrecht würden das in den Strafnormen enthaltene Unwerturteil nicht ändern.
Das heißt, auch wenn die Verjährung abgelaufen ist, werde die Straftat nicht nachträglich von der Gesellschaft gebilligt. Erlöse aus Straftaten seien auch weiter mit dem Makel der deliktischen Herkunft belastet. Grundsätzlich sei das Vertrauen in den Fortbestand von unredlich erworbenen Rechten nicht schutzwürdig. Das Bundesverfassungsgericht befand, dass rückwirkende Eingriffe in diese Rechte deshalb zulässig seien.
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