VERSICHERUNGSRECHT
Die überfahrene Bratsche
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
Wie weit geht die Befugnis der Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber ihrem Versicherungsnehmer bei der Regulierung eines fremden Unfallschadens?
Kurzfassung
Der Kfz-Haftpflichtversicherer kann auch zweifelhafte Schadensersatzansprüche eines Dritten gegen den Versicherungsnehmer befriedigen. Dies jedenfalls dann, wenn er den Schaden nicht ins Blaue hinein reguliert. Liegen sachlich vertretbare Gründe vor, muss der Versicherte die Rückstufung in eine Niedrige Schadensfreiheitsklasse hinnehmen.
So entschieden nun Amtsgericht und Landgericht Coburg. Die Klage des Versicherungsnehmers, die Versicherungsgesellschaft zu verpflichten, die Rückstufung rückgängig zu machen, wurde abgewiesen. Der Versicherer habe nach umfassender Aufklärung des Unfallgeschehens den Schaden reguliert. Dies sei nicht zu beanstanden, zumal die Haftpflichtversicherung hierbei einen weiten Spielraum habe.
Sachverhalt
Es wäre nichts passiert, wenn die Teilnehmer der Musikfreizeit des Landesjugendorchesters nur musiziert hätten. Weil aber einige auch ihre sportlichen Fertigkeiten unter Beweis stellen wollten, schnappten sie sich einen Fußball. Unglücklicherweise stand der VW-Golf des Versicherten direkt neben der auserkorenen Spielwiese. Und unglücklicherweise hegte der Fahrer des Wagens Zweifel am fußballerischen Können der Musiker. Daher entschloss er sich, das Fahrzeug „außer Schussweite“ zu bringen. Aber der unglücklichen Umstände nicht genug, übersah er beim Ausparken einen hinter dem Auto von einem fußballbegeisterten Musikanten zuvor abgestellten Bratschenkasten samt Inhalt. Von der Kfz-Haftpflichtversicherung forderte der um das Musizieren gebrachte Bratscheninhaber Schadensersatz. Nachdem der Versicherer etliche Zeugen befragt hatte, zahlte er trotz Protests seines Versicherungsnehmers 1.200 €. Der Beitragssatz des Versicherten stieg daraufhin von 35% auf 50%. Die Versicherung habe nicht regulieren dürfen, da der Fahrer seines Wagens für den Unfall nichts könne, rechtfertigte der Versicherungsnehmer seine Klage.
Gerichtsentscheidung
Damit drang der Kläger weder beim Amtsgericht noch beim Landgericht Coburg durch. Die beklagte Versicherungsgesellschaft habe nach den Kraftfahrtversicherungsbedingungen eine weite Regulierungsbefugnis. Nur willkürliche Maßnahmen seien ihr untersagt. Die Beklagte habe sich durch Befragung mehrerer Zeugen davon überzeugt, dass der Fahrer des versicherten Wagens den Unfall hätte verhindern können. Um weitere Kosten zu vermeiden, habe sie den Schaden reguliert. Dies sei sachlich gerechtfertigt gewesen, zumal der Halter eines Kfz nach dem Straßenverkehrsgesetz unabhängig davon hafte, ob er vorwerfbar gehandelt habe.
Fazit
Richtig ist zwar, dass es zum Unfall nicht gekommen wäre, wenn das Bratschenspiel nicht einem Fußballeinsatz hätte weichen müssen; doch richtig ist auch, dass der Einsatz eines Kfz stets eine Gefahr und demzufolge grundsätzlich eine (Mit-)Haftung in sich birgt.
(Urteil das Amtsgerichts Coburg vom 9.10.2003, Az: 15 C 727/03; Beschluss des Landgerichts Coburg vom 26.01.2004, Az: 32 S 111/03)