SCHADENSERSATZ UND SCHMERZENSGELD
Durch Unfall wachgerufene Erinnerungen können Schadenersatz auslösen
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Karlsruhe (jur). Bei den Gesundheitsfolgen eines Unfalls können auch wachgerufene Erinnerungen eine Haftung auslösen. Nach einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vom 26. Juli 2022 können dabei auch psychisch ausgelöste Kopfschmerzen eine sogenannte Primärverletzung sein, für die der Verursacher des jüngsten Unfalls Schadenersatz leisten muss (Az.: VI ZR 58/21).
Die Klägerin hatte früher eine Freundin durch einen Autounfall verloren. Zudem war sie als Ersthelferin bei einem Verkehrsunfall im Einsatz, bei dem zwei Menschen starben. Im November 2015 war die Frau dann selbst in einen Autounfall verwickelt. Als sie am Ende des Rückstaus vor einer Kreuzung zum Stehen kam, fuhr ein anderes Auto von hinten auf.
Äußere Verletzungen trug die Frau nicht davon. In einer Klinik wurde eine Veränderung der Halswirbelsäule festgestellt, die aber vermutlich schon vor dem Unfall bestand. Dennoch klagte die Frau über starke Kopf- und Nackenschmerzen. Sie führt dies auf den Unfall zurück und verlangt ein Schmerzensgeld in Höhe von 750 Euro.
Amts- und Landgericht Bielefeld hatten die Klage abgewiesen. Der BGH hob diese Urteile nun auf und verwies den Streit an das Landgericht zurück. Die Vorinstanzen hätten den Begriff der „Primärverletzung“ verkannt, die Voraussetzung für den Schadenersatz ist.
Eine solche Primärverletzung sei eine „Rechtsgutverletzung“, die „Primärfolge des Unfalls“ ist, so der BGH. Anders als es gerade bei Unfallfolgen umgangssprachlich naheliegt, muss nach dem Karlsruher Urteil eine solche Primärverletzung nicht eine körperliche Verletzung sein. Auch eine andere „Gesundheitsverletzung“ sei möglich.
Hier seien die Kopf- und Nackenschmerzen daher nicht nur „Sekundärverletzungen“ des älteren Halswirbelschadens. Da dieser unstreitig nicht auf den Unfall zurückgeht, könnten auch die Schmerzen selbst eine Primärverletzung sein, die eine Schadenersatzpflicht auslöst.
Die weitere Voraussetzung, dass hierfür der Unfall die Ursache sein muss, ist laut BGH dann getrennt zu prüfen. Dabei könnten auch durch einen Unfall ausgelöste Erinnerungen Schadenersatzansprüche begründen.
Hier habe eine Vorbelastung durch den Unfalltod der Freundin und den Unfalleinsatz als Ersthelferin bestanden, so dass möglicherweise ein nur geringer Anlass reichte, um psychisch ausgelöste Schmerzen zu verursachen. Diese Vorbelastung entlaste den Verursacher eines neuen Unfalls in der Regel nicht, betonte der BGH. Anderes gelte nur bei einer „allgemeinen Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen“.
Nach diesen Maßgaben soll nun das Landgericht Bielefeld den Fall erneut prüfen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock