BANKRECHT / KAPITALMARKTRECHT
Einsicht in das Geschäftskonto eines Anwalts nur gezielt
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Straßburg (jur). Das Bankgeheimnis von Strafverteidigern ist in Deutschland nicht ausreichend vor dem Zugriff der Staatsanwaltschaft geschützt. Es fehlen ausreichende Schranken, die die Auskunftspflicht der Banken auf konkrete und für die Ermittlungen notwendige Daten begrenzt, rügte am Donnerstag, 27. April 2017, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Az.: 73607/13). Die Straßburger Richter sprachen damit dem Kölner Strafverteidiger Ulrich Sommer eine Entschädigung in Höhe von 4.000 Euro zu. Mit einer zu umfangreichen Einsichtnahme in sein Geschäftskonto habe die Staatsanwaltschaft sein Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt.
Hintergrund des Rechtsstreits war eine Geldüberweisung von der Verlobten eines Mandanten auf das Geschäftskonto des Anwalts. Der Mandant stand in den Jahren 2010 und 2011 im Fokus von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Im Zuge der Ermittlungen kam heraus, dass die Verlobte dem Anwalt Geld überwiesen hatte. Die Behörde hatte den Verdacht, dass dieses Geld durch rechtswidrige Taten erlangt worden war.
Daraufhin bat sie die Bank von Sommer, Auskunft über dessen Geschäftskonto zu geben. Die Auskunftsanfrage sollte die Bank vertraulich behandeln und insbesondere nicht dem Anwalt offenbaren.
Die Bank kam dem Verlangen nach. Eine Liste von insgesamt 53 Bank-Transaktionen wurde schließlich in die Ermittlungsakte aufgenommen.
Einsicht in die Akte eines Mandanten
Als der Anwalt Einsicht in die Akten seines Mandanten nahm, entdeckte er, dass sein Geschäftskonto von der Staatsanwaltschaft ohne sein Wissen durchleuchtet und Daten gespeichert wurden. Er verlangte ohne Erfolg, dass die entsprechenden Informationen herausgegeben oder vernichtet werden.
Die Staatsanwaltschaft rechtfertigte sich mit einem Hinweis auf die Strafprozessordnung. Diese erlaube bei einem Verdacht bestimmter Straftaten dieses Vorgehen. Außerdem habe die Bank die Daten des Geschäftskontos freiwillig herausgegeben.
Sammlung und Speicherung der Bankdaten des Anwalts
Die deutschen Gerichte billigten die Sammlung und Speicherung der Bankdaten des Anwalts.
Der EGMR sah darin jedoch einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Das Recht auf Achtung des Privatlebens sei verletzt worden. Grundsätzlich dürfe zwar zur Vorbeugung von Straftaten auch auf Bankdaten zugegriffen werden. Dies müsse jedoch ausreichend begründet und verhältnismäßig sein.
Hier hätten die Ermittlungsbehörden Einsicht in sämtliche Daten des Geschäftskontos des Strafverteidigers genommen. Die Staatsanwaltschaft habe so nicht nur ein komplettes Bild über die beruflichen Aktivitäten des Anwalts erhalten. Auch Informationen über seine Mandanten seien so offenbart worden.
Gefährdung des Anwalt-Mandanten-Verhältnisses
Die Straßburger Richter rügten, dass die Strafprozessordnung keine Schutzklauseln enthalte, die die Sammlung und Speicherung von Informationen begrenzen. Dies könne das Anwalt-Mandanten-Verhältnis gefährden. Zudem sei hier die Freigabe der Kontodaten von der Staatsanwaltschaft nicht förmlich angeordnet worden. Deutschland müsse daher dem Strafverteidiger eine Entschädigung in Höhe von 4.000 Euro zahlen.
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