SCHADENSERSATZ UND SCHMERZENSGELD
Entschädigung bei krankheitsbedingter Gerichtsverzögerungen
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Karlsruhe. Der Staat schuldet seinen Bürgerinnen und Bürgern eine personell ausreichend ausgestattete Justiz. Für erkrankte Richter müssen Vorkehrungen getroffen sein. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat in einem am Freitag, den 25.03.2022 bekannt gegebenen Urteil entschieden, dass eine krankheitsbedingte Verzögerung eines Verfahrens einen Schadensersatzanspruch des Betroffenen auslösen kann (Az.: B 10 ÜG 2/20 R ).
Der Kläger hatte als Arbeitsloser vom Jobcenter ein Darlehen in Höhe von 377 Euro zur Tilgung von Energieschulden bekommen. Im Februar 2015 reichte er beim Sozialgericht Berlin Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit ein und forderte sie auf, seine Schulden zu erlassen. Erst nach viereinhalb Jahren, im August 2019, wurde vom Sozialgericht hierzu ein Erörterungstermin dazu angesetzt. Bei diesem Termin hat die Bundesagentur für Arbeit den Anspruch des Klägers auf Schuldenerlass anerkannt.
Aber damit war es für den Kläger nicht getan. Aufgrund eines langwierigen Gerichtsverfahrens forderte er vom Land Berlin Schadensersatz. Das Gesetz sieht bei überlangen Gerichtsverfahren eine Zahlung von 100 Euro pro Monat vor, um den den sich das Gerichtsverfahren grundlos verzögert.
Vom Land wurden dem Mann 1.200 Euro überwiesen. Der befand dies für zu wenig und klagte. Daraufhin legte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) in Potsdam weitere 1.300 Euro zu. Allerdings berücksichtigte das LSG drei Monate Verzögerung nicht, die auf die Krankheit von einem Richter zurückzuführen waren. Das Land könne dafür nicht verantwortlich gemacht werden.
Das BSG war jedoch anderer Ansicht. Es betonte, dass der Staat den Rechtssuchenden eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung schulde. Dazu gehörten auch personelle Vorkehrungen für erkrankte Richter und andere übliche Ausfallzeiten.
Eine Ausnahme gebe es nur, wenn ein Richter vor dem geplanten Termin so kurzfristig erkranke, dass sich der Vertreter nicht mehr einarbeiten könne und deshalb den Termin verschieben müsse. Da dies im vorliegenden Fall nicht gegeben war, wurden dem Kläger vom BSG weitere 300 Euro, somit insgesamt 2.800 Euro, zugesprochen.
Das BSG bestätigte in diesem und einem anderen Urteil jedoch seine bisherige Rechtsprechung, wonach jede Instanz nach Verfahrenseingang eine „zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit“ zusteht, ohne diese näher begründen zu müssen. Nach dem zweiten Urteil ist in jedem Fall eine Entschädigung instanzenübergreifend zu berechnen (Az.: B 10 ÜG 4/21 R). Im streitigen Fall bedeutet dies, dass sich das LSG etwas mehr Zeit nehmen konnte, da das Sozialgericht zuvor keine zwölf Monate verbraucht hatte.
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