VERWALTUNGSRECHT
Erheblicher Pflegefachkraftmangel führt zur Seniorenheimschließung
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Berlin (jur). Der weit überwiegende Einsatz von ungelernten pflegenden Leiharbeitnehmern in einem Seniorenheim kann zur Schließung der Einrichtung führen. Dies gilt erst recht, wenn wegen des Mangels an Pflegefachpersonal zahlreiche Pflegemängel bei den Bewohnerinnen und Bewohnern auftreten, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in Berlin in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 18. August 2022 (Az.: OVG 6 S 45/22).
Im konkreten Fall ging es um ein Seniorenheim in Brandenburg. Behörden hatten erstmals im Herbst 2021 und dann wiederholt einen erheblichen Mangel an Pflegefachpersonal sowie zahlreiche Pflegemängel bei den Bewohnern festgestellt. So wurde die Pflege fast durchgängig von Leiharbeitnehmern verrichtet. Davon waren nur 25 Prozent Pflegefachkräfte, der Rest war ungelernt. Mangels hauseigener Pflegefachkräfte konnten auch die wenigen „Leasing-Pflegefachkräfte“ Pflegemängel nicht verhindern. Sie waren weder ausreichend eingearbeitet noch angeleitet.
Die Behörden untersagten schließlich zum Schutz der Bewohner den Betrieb des Seniorenheims. Denn die Betreiber-GmbH habe nicht dargelegt, wie in Zukunft die Personal- und Pflegesituation verbessert werden könnte.
Die Betreiber-GmbH wollte die Anordnung zur Betriebsuntersagung im Eilverfahren kippen.
Doch das OVG entschied nach vorläufiger Prüfung, dass die Betriebsuntersagung gerechtfertigt sei. Ob ausreichend Pflegefachpersonal vorhanden sei, könne nicht anhand starrer Zahlen bestimmt werden. Maßgeblich komme es hierfür auf die Ausstattung, die bauliche Beschaffenheit und die Pflegegrade und damit den Pflegebedarf der Bewohner an.
Nach den brandenburgischen Regelungen müsse „durch die Anwesenheit von Fachkräften“ sichergestellt werden, dass die Bewohner „zu jeder Tages- und Nachtzeit krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich werdende Hilfe und Unterstützung erhalten“. Dies gelte als eingehalten, wenn mindestens 50 Prozent des Pflegepersonals Fachkräfte sind. Hier seien nur 25 Prozent Pflegefachkräfte gewesen, die die für sie angefallene Arbeit aber nicht bewältigen konnten.
Diese Personalsituation habe zu zahlreichen Pflegemängeln geführt. Viele Heimbewohner mit Pflegegrad 4 und 5 könnten beim Waschen, dem Toilettengang, Essen und Trinken, der Fortbewegung und dem Positionswechsel im Bett nicht die erforderliche Unterstützung erhalten. Zum Schutz der Pflegebedürftigen sei die Betriebsuntersagung daher begründet, so das OVG.
Zwar werde so in die Berufsfreiheit des Einrichtungsbetreibers eingegriffen, wenn sich die Betriebsuntersagung im Hauptsacheverfahren als unrechtmäßig erweisen würde. Dieser Eingriff und eine mögliche Existenzgefährdung würden aber dadurch abgemildert, dass die Einrichtung Teil einer Unternehmensgruppe ist, die weiterhin wirtschaftlich tätig sein könne.
Würde die Betriebsuntersagung im Eilverfahren dagegen ausgesetzt und erweise sich die Untersagung aber als rechtmäßig, müssten die Bewohner bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine nicht hinzunehmende Verletzung ihres Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit erleiden. Zudem müssten „sowohl Bewohner als auch die Allgemeinheit darauf vertrauen“ können, „dass Einrichtungen ... sorgfältig überwacht und Pflegemängel nicht hingenommen“, sondern ihnen begegnet werden, so das OVG.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock