EU-Grundrechte führen nicht zur direkten Anwendbarkeit von EU-Recht
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Luxemburg (jur). EU-Bürger können sich gegenüber anderen Privatpersonen nur dann auf die EU-Grundrechtecharta berufen, soweit diese schon für sich genommen konkrete Rechte verleiht. Das hat am Mittwoch, 15. Januar 2014, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einem Streit um Arbeitnehmervertretungen in Frankreich entschieden (Az.: C-176/12). Danach führt die Charta nicht zu einer direkten Anwendbarkeit von Richtlinien – auch dann nicht, wenn diese ein Charta-Grundrecht konkretisiert.
Der Verband AMS nimmt verschiedene Aufgaben in Marseille war. So kümmert er sich um die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln. Vorrangiges Ziel ist aber die Integration von Langzeitarbeitslosen. Die Mitarbeiter sind daher überwiegend nicht als reguläre Arbeitnehmer, sondern allein zum Zweck der Integration beschäftigt.
Nach französischem Recht zählen diese Beschäftigten bei der Berechnung der Größe des Betriebsrats nicht mit. Beim AMS wäre danach keine Arbeitnehmervertretung zu bilden. Die Gewerkschaften wollten dies nicht akzeptieren. Die 2007 geschaffene Grundrechtecharta der EU garantiere den Arbeitnehmern ihre Mitwirkungsrechte. In einer EU-Richtlinie werde dies dahin konkretisiert, dass keine Arbeitnehmergruppen von der Mitwirkung ausgeschlossen werden dürfen. Das oberste Gericht in Frankreich legte den Streit dem EuGH vor.
Der vertrat nun zwar die Ansicht, dass die französischen Regelungen gegen die EU-Richtlinie verstoßen. Auf Richtlinien könnten sich EU-Bürger aber nur im Streit mit dem jeweiligen Staat direkt berufen. Für die Gewerkschaften in Frankreich gelte dies gegenüber dem privaten Verband AMS daher nicht. Die Grundrechtecharta für sich genommen sei aber nicht konkret genug, um eine Arbeitnehmervertretung durchzusetzen.
Nach der Luxemburger Rechtsprechung sieht es allerdings anders aus, wenn die Grundrechtecharta konkrete Rechte verleiht. So hatte der EuGH bereits 2010 die damaligen deutschen Kündigungsfristen für Arbeitnehmer verworfen, die vor ihrem 25. Geburtstag ins Berufsleben eingestiegen sind (Urteil vom 19. Januar 2010, Az.: C-555/07; JurAgentur-Archivmeldung). Dabei hatte sich der EuGH auch auf das in der EU-Grundrechtecharta verankerte Verbot der Altersdiskriminierung gestützt.
In dem neuen französischen Fall erinnerte der EuGH zudem daran, dass die Gewerkschaften gegebenenfalls Schadenersatz vom französischen Staat verlangen können, weil dieser das EU-Recht nicht richtig umgesetzt habe.
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