DATENSCHUTZRECHT
EuGH begrenzt Datenzugriff für Flüge in der EU
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Luxemburg (jur). Bei Flügen innerhalb der EU erhobene Daten dürfen nicht mehr in bisherigem Umfang genutzt werden. Die Achtung der Grundrechte erfordere eine Beschränkung „auf das absolut Notwendige“, urteilte am Dienstag, 21. Juni 2022, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (Az.: C-817/19). Anderes gelte nur bei einer terroristischen Bedrohungslage. Zudem untersagte der EuGH eine automatisierte Anwendung der Erkenntnisse künstlicher Intelligenz.
Die EU hatte 2016 eine Richtlinie „über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität“ (PNR-Richtlinie) beschlossen. Sie sieht die Erhebung und Speicherung einer großen zahl von Fluggastdaten bei der Einreise in die EU vor. Die einzelnen EU-Staaten können entscheiden, ob sie diese Daten auch bei Flügen innerhalb der EU speichern.
Belgien machte davon Gebrauch. Die dortige Ligue des droits humains (Liga für Menschenrechte) sah dadurch das im belgischen wie auch im EU-Recht garantierte Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten verletzt. Der belgische Verfassungsgerichtshof legte den Streit dem EuGH vor. 14 weitere Staaten, darunter auch Deutschland, haben sich an dem Verfahren beteiligt.
Der EuGH erklärte die PNR-Richtlinie nun zwar nicht für ungültig, forderte aber eine grundrechtskonforme Auslegung. Dabei sehe die Grundrechtscharta der EU „ein hohes Datenschutzniveau“ vor. In diese Rechte greife die PNR-Richtlinie „schwerwiegend“ ein.
Daher beschränkten die Luxemburger Richter die Dauer der Datenspeicherung auf sechs Monate statt fünf Jahre. Auch den Umfang der erfassten Daten grenzte der EuGH ein. Polizei und Behörden dürften nur zur Aufklärung und Verhinderung terroristischer und anderer schwerer Straftaten auf die Daten zugreifen.
Bei Flügen innerhalb der EU müsse sich die Datenüberwachung „auf das absolut notwendige beschränken“, forderte der EuGH. Die Überwachung sei daher nur bei Flugverbindungen zulässig, für die es Hinweise auf einen Bezug zu schweren Straftaten gibt. Dies müsse einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Eine Überwachung aller EU-Flüge sei nur bei einer terroristischen Bedrohungslage zulässig. Gleiches gelte für sämtliche Bus- und Bahnreisen.
Wegweisend wohl auch für andere Bereiche der Datenverarbeitung sind die Ausführungen des EuGH zur Nutzung künstlicher Intelligenz. Nach bisheriger Erfahrung hätten solche selbstlernende Systeme eine erhebliche Fehlerquote. Daher dürften die Computer die durch künstliche Intelligenz erarbeiteten Bewertungskriterien nicht eigenständig anwenden. Vielmehr müssten sie von Menschen nach „klaren und präzisen Regeln“ überprüft werden.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock