MIETRECHT
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck und Rechtsanwalt Dr. Attila Fodor, Berlin zu den aktuellen Rechten des Vermieters und des Mieters bei Eigenbedarfskündigungen
Autor: Rechtsanwalt Alexander Bredereck - Rechtsanwalt
In einem Urteil vom 13. Oktober 2010 hat der Bundesgerichtshof die Rechte der Mieter bei Eigenbedarfskündigungen gestärkt. Falls der Vermieter gleichzeitig auch Vermieter anderer Wohnungen ist, muss er dem Mieter zuerst eine dort freie Wohnung zu vergleichbaren Konditionen anbieten, bevor er den Eigenbedarf geltend macht. Trotzdem bleibt die Eigenbedarfskündigung der – aus Mietersicht – „wunde Punkt“ des tendenziell mieterfreundlichen Mietrechts. Mit der Eigenbedarfskündigung kann selbst der vorbildlichste Mieter vor die Tür gesetzt werden. Der Vermieter muss nur nachvollziehbar darlegen, dass er die Wohnung für sich, für ein Familienmitglied oder für einen Hausstandsangehörigen benötigt. In der Praxis ist die Eigenbedarfskündigung trotz scheinbar klarer Reglungen im Gesetz dennoch nicht einfach.
Unklar ist bereits, wer zum Kreis der Familienangehörigen zählt. Die Rechtsprechung hierzu ist unübersichtlich und zum Teil widersprüchlich. Der klassische Fall ist das eigene Kind, welches zum Beginn seines Studiums aus dem Elternhaus in die Eigentumswohnung der Eltern zieht. Das eigene Kind ist natürlich berechtigtes Familienmitglied. Selbst wenn es bereits in einer eigenen Wohnung wohnt, kann Eigenbedarf geltend gemacht werden. Handelt es sich aber um das Kind der Lebenspartnerin, dann wird es wohl nur dann zum berechtigten Personenkreis gehören, wenn es im Hausstand des Vermieters wohnt. Großnichten und Kinder von Cousins (also Nichten und Neffen 2. Grades) sind aber regelmäßig nicht Familienmitglieder im Sinne des Eigenbedarfskündigungsrechts. Früher war äußerst umstritten, ob die Kinder der Geschwister (Nichten und Neffen 1. Grades) dazu gehörten. Anfang des Jahres bejahte dies der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27.01.2010, Aktenzeichen: VIII ZR 159/09), was die Rechte des Vermieters deutlich stärkte. Die Gerichte schauen sich die Verwandtschaftsverhältnisse aber auch genauer an und können je nach Einzelfall unterschiedlich urteilen. Für den Neffen 2. Grades kann eine Eigenbedarfskündigung etwa geltend gemacht werden, wenn dieser auch Patensohn des Vermieters ist und eine besondere Verantwortung für ihn besteht.
Selbst wenn jemand eindeutig zum Familienkreis gehört oder wenn der Vermieter die Wohnung für sich begehrt, ist eine Eigenbedarfskündigung weiterhin nicht ganz einfach. Den Eigenbedarf für den 18-Jahrigen Sohn an einer luxuriösen 4-Zimmer-Wohnung wird man ablehnen müssen. Handelt es sich aber um eine 4-Zimmer-Wohnung, die nur unwesentlich mehr Miete einbringt, als die trendige 1-Zimmer-Dachgeschosswohnung, die der Filius derzeit bewohnt, wird der Eigenbedarf wohl nachvollziehbar sein. Auch kann ein Vermieter – wenn er dies will – in eine größere Wohnung wechseln. Er sollte den erhöhten Wohnbedarf nur nachvollziehbar begründen. Hier reicht es aus, darzulegen, dass er etwa einen weiteren Raum als Arbeitszimmer benötigt oder dass ein Kinderwunsch besteht.
Bei der Eigenbedarfskündigung gibt es neben den beschriebenen Voraussetzungen aber auch formelle Hürden. Das Kündigungsschreiben muss etwa bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen.
Fachanwaltstipp Mieter: Bei einer Eigenbedarfskündigung sollten Sie sich erkundigen, ob der Vermieter auch andere Wohnungen – unter Umständen in derselben Wohnanlage – vermietet und ob eine dieser Wohnungen frei ist oder in nächster Zeit neu vermietet werden soll. Hat Ihr Vermieter Ihnen die Wohnung nicht angeboten, ist die Eigenbedarfskündigung wegen verletzter Fürsorgepflichten unwirksam. Ihnen steht ein Widerspruchsrecht zu, wenn die Kündigung für Sie eine besondere Härte bedeuten würde. Wenn Sie ein auf Eigenbedarf beruhendes Kündigungsschreiben erhalten, lassen Sie sich von einem Fachmann beraten.
Fachanwaltstipp Vermieter: Lassen Sie nicht erst den Räumungsrechtstreit durch einen Anwalt führen. Beauftragen Sie ihn auch mit dem Entwurf des Kündigungsschreibens. Formelle Fehler im Kündigungsschreiben können den Grund für einen verlorenen Räumungsrechtsstreit liefern.