VERFASSUNGSRECHT
Fast 200.000 Verfassungsbeschwerden gegen CETA-Abkommen abgewiesen
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Karlsruhe (jur). Die fast 200.000 Verfassungsbeschwerden gegen die vorläufige Anwendung des zwischen Kanada und der Europäischen Union geschlossenen Freihandelsabkommens CETA sind gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat diese in einem am Dienstag, 15. März 2022, veröffentlichten Beschluss als unbegründet abgewiesen und teilweise als unzulässig verworfen (Az.: 2 BvR 1368/16 und weitere).
Weder habe der EU-Rat mit seinem Beschluss vom 28. Oktober 2016 und seiner zwei Tage später erfolgten Unterzeichnung über die vorläufige Anwendung von CETA seinen Kompetenzbereich überschritten, noch werde dadurch das Demokratieprinzip berührt. Das umstrittene Abkommen wurde im Februar 2017 vom EU-Parlament mit großer Mehrheit gebilligt und trat danach am 21. September 2017 vorläufig in Kraft.
Ziel des Abkommens ist es, dass schrittweise praktisch alle Bereiche des Waren- und Dienstleistungshandels und der Niederlassung zwischen Kanada und der EU liberalisiert werden. Die Einhaltung internationaler Umwelt- und Sozialstandards soll zudem erleichtert werden.
CETA-Gegner hielten das Abkommen für verfassungswidrig. Sie rügen, dass der Handelsvertrag nicht nur bestehende nationale hohe Umwelt- und Sozialstandards aushebelt, sondern auch, dass das Recht der Bürger auf demokratische Mitbestimmung verletzt wird. So werde mit CETA eine Paralleljustiz in Form eines Investitionsgerichtshofs geschaffen, bei dem Investoren Sonderrechte zugestanden werden. Die CETA-Ausschüsse dürften zudem Entscheidungen fällen, für die eigentlich die nationalen Parlamente zuständig sind.
Knapp 200.000 Verfassungsbeschwerden sowie eine Organklage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ sollten die vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens stoppen. Entsprechende Eilanträge wies das Bundesverfassungsgericht bereits am 13. Oktober 2016 ab (Az.: 2 BvR 1368/16 und weitere; JurAgentur-Meldung vom Entscheidungstag). Allerdings wurde die Bundesregierung verpflichtet, nur den Teilen des CETA-Abkommens in einem EU-Ratsbeschluss zuzustimmen, für die die EU die zuständig sei. Dazu zählten nicht Bereich wie Regelungen zum Investitionsschutz, des Arbeitsschutzes oder der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen. Genüge das abschließende Abkommen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, müsse „eine einseitige Beendigung der vorläufigen Anwendung durch Deutschland“ möglich sein.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in einem am 30. April 2019 vorgelegten Gutachten grünes Licht für CETA gegeben und darauf hingewiesen, dass mit dem Abkommen die Grundrechte und Autonomie des EU-Rechts gewahrt würden (Az.: Gutachten 1/17; JurAgentur-Meldung vom Veröffentlichungstag).
In dem nun veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2022 betonten die Verfassungsrichter, dass der EU-Rat mit dem Beschluss über die vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens seine Kompetenzen nicht überschritten habe. Auch sei die Mitwirkung des deutschen Vertreters am Beschluss des EU-Rates nicht zu beanstanden. Der Beschluss erstrecke sich nur auf Gegenstände, „die unstreitig in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen“. Bei den umstrittenen Zuständigkeitsfragen, etwa dem Investitionsschutz, sei die vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens beschränkt.
Komme es doch noch zu einer Kompetenzüberschreitung durch den EU-Rat habe die Bundesregierung „in letzter Konsequenz die Möglichkeit, die vorläufige Anwendung des Abkommens zu beenden“.
Die Verfassungsbeschwerden, die sich gegen den Abschluss von CETA und zum deutschen Zustimmungsgesetz richteten, stufte das Bundesverfassungsgericht als unzulässig ein. Diese stünden noch aus beziehungsweise sei noch gar nicht verabschiedet.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock