STEUERRECHT
FG Münster lehnt längere Festsetzungsfrist für Steuererklärung ab
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Münster (jur). Liegen dem Finanzamt alle erforderlichen Steuerinformationen in Form elektronischer Lohnsteuerbescheinigungen vor, stellt die Nichtabgabe einer verpflichtenden Steuererklärung keine vollendete Steuerhinterziehung oder -verkürzung dar. Das Finanzamt darf daher nicht die regelmäßige vierjährige Festsetzungsfrist zur Abgabe der Steuererklärung auf zehn beziehungsweise fünf Jahre verlängern und Einkommensteuer verlangen, entschied das Finanzgericht Münster in einem am Montag, 15. August 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 4 K 135/19 E). Die Münsteraner Richter ließen die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) in München zu.
Im konkreten Fall ging es um zusammenveranlagte Eheleute. Bis 2008 bezog nur der Ehemann bis einschließlich 2008 Arbeitslohn. Das Finanzamt speicherte den Fall als sogenannte Antragsveranlagung.
Dabei können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer freiwillig eine Einkommensteuererklärung abgeben. Das ist bei Ledigen mit der Steuerklasse I und bei Ehepaaren möglich, bei denen nur ein Ehegatte berufstätig ist und den Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse III durchführt. Auch Ehepaare, bei denen beide Ehepartner berufstätig sind und der Lohnsteuerabzug nach den Steuerklassen IV/IV erfolgt, müssen keine Einkommensteuererklärung abgeben.
Doch hier hatte ab 2009 auch die Ehefrau Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Der Lohnsteuerabzug erfolgte bei dem Paar nach den Steuerklassen III und IV, so dass die Abgabe einer Einkommensteuererklärung Pflicht ist. Dem kam das Paar aber nicht nach. Das Finanzamt hatte den Fall weiter als freiwillige Antragsveranlagung gespeichert, obwohl die Behörde die elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen der Eheleute erhalten hatte und von der Abgabepflicht der Steuererklärung wissen musste.
Als das Finanzamt 2018 feststellte, dass die Eheleute zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet gewesen waren, erließ es für die Streitjahre 2009 und 2010 Schätzungsbescheide für die zu entrichtende Einkommensteuer sowie Verspätungszuschläge. Auf den Einwand der Kläger, dass die regelmäßige vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen sei und daher keine Steuernachzahlungen verjährt seien, argumentierte das Finanzamt mit verlängerten Festsetzungsfristen. Die Nichtabgabe der verpflichtenden Einkommensteuererklärung sei als Steuerhinterziehung beziehungsweise -verkürzung zu werten. In diesen Fällen verlängere sich die Festsetzungsfrist auf zehn beziehungsweise fünf Jahre. Das Ehepaar habe auch von der Abgabepflicht gewusst.
Die Klage gegen die Bescheide über Einkommensteuer und Verspätungszuschläge hatte vor dem Finanzgericht Erfolg. Zwar seien die Eheleute zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet gewesen. Allein die Verletzung der Erklärungspflichten reiche hier aber nicht aus, von einem Verkürzungstatbestand auszugehen.
Denn das Finanzamt habe über alle erforderlichen Informationen in Form elektronischer Lohnsteuerbescheinigungen gewusst. Eine Steuerhinterziehung oder -verkürzung habe damit nicht vorgelegen, so dass keine verlängerten Festsetzungsfristen angewendet werden dürfen. Es sei damit Verjährung eingetreten, urteilte das Finanzgericht am 24. Juni 2022.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock