ASYLRECHT
Flüchtlingsschutz für syrische Kriegsdienstverweigerer mit Hürden
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Leipzig (jur). Dike vom syrischen Militär begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründen für syrische Kriegsdienstverweigerer allein noch keine Anerkennung als Flüchtling. Hierfür müssen zudem konkrete Tatsachen vorliegen, die eine oppositionelle Haltung zum syrischen Regime belegen, urteilte am Donnerstag, 19. Januar 2023, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: 1 C 1.22 und weitere). Eine „diffuse Tatsachengrundlage“ genüge nicht für die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes.
In den Streitfällen ging es um mehrere syrische Flüchtlinge, die keinen Militärdienst in Syrien ableisten wollten und nach Deutschland geflohen sind. Die in den Jahren 1986 bis 2002 geborenen Kläger wurden als sogenannte subsidiär Schutzberechtigte anerkannt. Danach sind sie aus humanitären Gründen, etwa bei Gefahr für Leib und Leben, vor einer Abschiebung geschützt. Allerdings unterliegen sie, anders als bei einer Anerkennung als Flüchtling, Einschränkungen beim Familiennachzug.
Gerichtlich wollten sie ihre Flüchtlingsanerkennung erstreiten.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gab ihnen recht. Die maßgeblichen Tatsachengrundlagen seien zwar „in gewissem Maße diffus“. Warum genau die Kläger geflohen sind, sei nicht genügend geklärt. Dennoch könne von einer ausreichenden Vermutung ausgegangen werden, dass den Klägern bei ihrer Rückkehr eine politische Verfolgung drohe. Denn das syrische Regime gehe bei einer Militärdienstentziehung von einer oppositionellen Haltung aus und diszipliniere Kriegsdienstverweigerer als vermeintliche politische Gegner.
Zwischenzeitlich hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. November 2020 geurteilt, dass bei der Verweigerung des Militärdienstes in Syrien die „starke Vermutung“ für politische Verfolgung bestehe (Az.: C-238/19; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Dies könne dann der Fall sein, wenn der Militärdienst verweigert wurde, um nicht an vom syrischen Militär zu verantwortende Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilnehmen zu müssen. Keinen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung gebe es jedoch, wenn der Militärdienst allein aus Angst vor der Gewalt abgelehnt wird.
Der EuGH verwies darauf, dass die syrische Armee in dem Bürgerkrieg „wiederholt und systematisch“ Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht – und zwar auch unter Beteiligung von Wehrpflichtigen. In vielen Fällen sei die Verweigerung des Militärdienstes daher „Ausdruck politischer Überzeugungen“. Es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die syrischen Behörden eine Militärdienstverweigerung als „Akt politischer Opposition“ auslegen und Betroffene deshalb verfolgen werden, urteilten die Luxemburger Richter.
Dem folgte nun auch das Bundesverwaltungsgericht. Es gebe die „starke Vermutung“, dass die Verweigerung des Militärdienstes mit einem Verfolgungsgrund in Zusammenhang stehe. Dennoch führe dies noch nicht zur automatischen Flüchtlingsanerkennung. Behörden und Gerichte müssten „in Anbetracht sämtlicher in Rede stehender Umstände die Plausibilität dieser Verknüpfung“ prüfen.
Hier habe das OVG nur „diffuse“ Tatsachengrundlagen für eine mögliche politische Verfolgung ausgemacht. Dies reiche für eine Flüchtlingsanerkennung nicht. Das Bundesverwaltungsgericht verwies die Verfahren daher zur erneuten Prüfung an das OVG zurück.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock