VERFASSUNGSRECHT
Förderung parteinaher Stiftungen muss gesetzlich geregelt werden
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Bundesverfassungsgericht © Symbolgrafik:© U. J. Alexander - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) wurde im Jahr 2019 zu Unrecht von staatlichen Fördergeldern ausgeschlossen. Bundesregierung und Bundestag haben damit die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb zwischen den Parteien verletzt, urteilte am Mittwoch, 22. Februar 2023, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Az.: 2 BvE 3/19). Für den Eingriff in das Recht auf Chancengleichheit bedürfe es eines eigenen – bislang fehlenden – Parlamentsgesetzes, welches den Ausschluss parteinaher Stiftungen von staatlichen Zuschüssen regelt. Die Anträge der AfD auf konkrete Nachzahlungen von Fördermitteln in Millionenhöhe wiese die Verfassungsrichter allerdings als unzulässig Gründen ab.
Nach der bisherigen politischen Praxis erhalten parteinahe Stiftungen vom Staat für ihre bildungspolitische Arbeit Zuschüsse. Allein im Jahr 2019 betrugen diese insgesamt rund 660 Millionen Euro. Vom staatlichen Finanzstrom profitierten etwa die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung oder die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Die 2018 von der AfD als parteinah anerkannte DES erhielt bislang jedoch - anders als die sechs anderen politischen Stiftungen - keine Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt.
Bundestag und Bundesregierung versagten die Gelder unter anderem mit dem Argument, dass die AfD zumindest 2018 und 2019 noch nicht fest und dauerhaft im Bundestag vertreten war.
Im Bundeshaushaltsplan wurde für 2022 außerdem festgelegt, dass Fördergelder nur beansprucht werden können, wenn die politische Stiftung in ihrer Arbeit auch die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes gewährleistet.
Die AfD hielt den Ausschluss von Fördermitteln für willkürlich und sah ihr Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb zwischen den politischen Parteien verletzt. Sie zog vor das Bundesverfassungsgericht und verlangte mit ihrer Organklage für die Jahre 2018 bis 2022 jeweils zwischen 480.000 Euro und über 7,8 Millionen Euro an Zuschüssen für ihre Stiftung.
Die Verfassungsrichter wiesen die meisten Anträge der Partei mit Ausnahme von 2019 als unzulässig ab. Diese seien teils zu spät eingereicht worden. Auch seien die Anträge auf konkrete Nachzahlung von Fördermitteln in dem von der AfD angestrengten Organverfahren formal gar nicht möglich. Der Antrag zum Jahr 2022 wurde vom Verfahren abgetrennt, um darüber später zu entscheiden.
Allerdings urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass mit dem Ausschluss der Fördermittel im Jahr 2019 die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb zwischen den Parteien verletzt wurde. Denn Parteien profitierten in erheblichem Maße von ihren parteinahen Stiftungen. Dort fänden bildungspolitische Seminare und Informationsveranstaltungen statt. Positionen der Parteien könnten dort fortentwickelt werden. Mithilfe staatlicher Zuschüsse könne die Reichweite der von der nahestehenden Partei vertretenen Grundüberzeugungen und Politikkonzepte erweitert werden. Dies werde mit der Versagung staatlicher Gelder aber erschwert.
Zwar habe der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, unter welchen Voraussetzungen er parteinahe Stiftungen fördert. So könne er dies davon abhängig machen, dass die Stiftungen eine „dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung“ repräsentieren. Die Wahlbeteiligung und die Wahlergebnisse könnten dies aufzeigen. Im Jahr 2019 sei die AfD als drittgrößte Bundestagsfraktion dem gerecht geworden.
Werde eine parteinahe Stiftung von staatlichen Zuschüssen ausgeschlossen, bedürfe es wegen des Eingriffs in das Recht auf Chancengleichheit eines eigenen Parlamentsgesetzes. Daran fehle es bis heute. Es reiche nicht aus, dass im Haushaltsplan und im Haushaltsgesetz die Versagung der Fördermittel bestimmt und begründet werde.
Möglich sei ein per Gesetz bestimmter Eingriff in die Chancengleichheit, wenn dies „zum Schutz gleichwertiger Verfassungsgüter geeignet und erforderlich“ ist“, urteilten die Verfassungsrichter. Dabei komme etwa der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Betracht. Ob die AfD dem gerecht wird, hatte das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. „Der Ball liegt jetzt im Feld des Gesetzgebers“, sagte Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock