ARBEITSRECHT
Frühere ZDF-Reporterin Meier scheitert mit Verfassungsbeschwerde
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Karlsruhe (jur). Die frühere ZDF-Reporterin Birte Meier ist mit ihrer Verfassungsbeschwerde wegen einer gleichen Entlohnung von männlichen und weiblichen Kollegen im Sender gescheitert. Die Journalistin hat ihre Möglichkeiten vor den Arbeitsgerichten noch nicht ausgeschöpft und eine angebliche Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht fristgerecht begründet, so die Karlsruher Richter in ihrer am Dienstag, 19. Juli 2022, veröffentlichten Entscheidung (Az.: 1 BvR 75/20).
Hintergrund des Rechtsstreits ist ein jahrelanger Prozess um die gleiche Bezahlung von männlichen und weiblichen Journalisten beim ZDF. Meier, die 2022 zum Privatsender RTL gewechselt ist, war beim ZDF als arbeitnehmerähnliche freie Beschäftigte tätig. Sie arbeitete als Redakteurin für das Polit-Magazin „Frontal 21“. Während des Rechtsstreits wurde sie von Berlin nach Mainz in die Abteilung Info, Gesellschaft und Leben versetzt.
Dem ZDF hatte sie vorgeworfen, dass sie als Frau viel weniger verdiene als Männer mit einer vergleichbaren Tätigkeit. Sie klagte auf Auskunft über die Vergütung der männlichen Kollegen, damit sie weitere Vergütungsansprüche geltend machen kann.
Die unterschiedlichen Entlohnungen basieren auf den unterschiedlichen Erfahrungen und Ausbildungen.
Die Rundfunkanstalt bestritt eine geschlechterdiskriminierende Bezahlung von Meier. Es gebe zwar durchaus unterschiedliche Entlohnungen. Diese seien aber wegen unterschiedlicher Erfahrungen und Ausbildungen der männlichen Kollegen begründet. Es gebe auch Männer, die ähnlich viel verdienten wie Meier.
Die Klage der Journalistin hatte vor dem LAG Berlin keinen Erfolg. Weder stehe Meier eine weitere Vergütung noch eine Diskriminierungsentschädigung zu, so das LAG in seinem Urteil vom 5. Februar 2019 (Az.: 16 Sa 983/18; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Die Klägerin habe „keine ausreichenden tatsächlichen Hinweise für eine Benachteiligung bei der Vergütung wegen ihres Geschlechts vorgetragen“.
Sie sei auch zu keiner Zeit als Arbeitnehmerin angestellt, sondern als freie Mitarbeiterin beim ZDF beschäftigt worden. Als freie Mitarbeiterin stehe ihr nach dem Entgelttransparenzgesetz kein Auskunftsanspruch über die Vergütungshöhe ihrer männlichen Kollegen zu.
Das BAG ließ die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nur hinsichtlich der Frage zu, ob das ZDF Meier Auskunft über den Verdienst der männlichen Kollegen geben muss.
Meier legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein. Sowohl das LAG als auch das BAG hätten den Fall dem EuGH vorlegen müssen. Die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen seien „nicht mit dem Grundrecht der Gleichheit von Frauen und Männern“ nach der EU-Grundrechtecharta vereinbar.
Auch freie Mitarbeiter haben einen Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz.
Noch vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde hatte das BAG Meier am 25. Juni 2020 hinsichtlich der Auskunftsklage recht gegeben (Az.: 8 AZR 145/19; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Auch arbeitnehmerähnliche freie Beschäftigte hätten nach dem Entgelttransparenzgesetz regelmäßig einen Auskunftsanspruch über die Vergütung vergleichbarer männlicher Kollegen.
Daraufhin teilte das ZDF mit, dass das Vergleichsentgelt der männlichen Kollegen im Jahr 2017 rund 800 Euro über dem Gehalt der Journalistin lag. Nach Angaben der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die Meier seit 2017 unterstützt, hat die Journalistin am 1. Dezember 2021 beim Arbeitsgericht Berlin eine Zahlungsklage eingelegt (Az.: 59 Ca 11948/21). Darüber ist noch nicht entschieden worden. Die unterschiedliche Bezahlung ist aber ein Indiz für eine geschlechterdiskriminierende Vergütung. Damit greift eine Beweislastumkehr: Das ZDF muss beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt.
Die gegen die BAG-Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Gestützt auf die Auskunft des ZDF habe Meier durchaus noch Chancen, ihre Zahlungsklage vor den Arbeitsgerichten zum Erfolg zu bringen. Bis zur Ausschöpfung dieser Möglichkeiten sei eine Verfassungsbeschwerde unzulässig.
Eine Vorlage an den Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg durch das BAG sei gar nicht möglich gewesen. Denn das oberste Arbeitsgericht habe zum gleichen Lohn für Männer und Frauen gar keine „Sachentscheidung“ getroffen. Eine Verletzung des Grundgesetz-Satzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ habe Meier nicht innerhalb der vorgeschriebenen Monatsfrist ausreichend begründet, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Juni 2022.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock