REISERECHT
Für die Sicherheit müssen Fluggäste auch Annullierungen hinnehmen
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Karlsruhe (jur). Drohende Fluggastentschädigungen sollen für Fluggesellschaften kein Anreiz sein, Sicherheitsmaßnahmen zu unterlassen. Das ist die Botschaft eines kürzlich veröffentlichten Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vom 10. November 2022 (Az.: X ZR 117/21). Danach muss eine Fluggesellschaft keine Entschädigungen zahlen, wenn aus konkretem Anlass ein Großteil der Flotte für einen außerplanmäßigen Sicherheits-Check am Boden bleibt. Nur um Verspätungen und Annullierungen zu vermeiden, müsse eine Fluggesellschaft keine Risiken für die Passagiere eingehen.
Hintergrund waren mehrere Zwischenfälle bei Maschinen des Typs Airbus A220. Die US-Luftfahrtbehörde hatte deswegen bereits am 26. September 2019 für die dortigen Fluggesellschaften nach bestimmten Flugzyklen zusätzliche Inspektionen angeordnet. Am 15. Oktober 2019 kam es dann bei einem A220 zu einem Triebwerksausfall.
Die hier beklagte Fluggesellschaft Swiss International Air Lines ließ daraufhin 28 Flugzeuge dieses Typs vorübergehend am Boden, um sie einer außerplanmäßigen Inspektion zu unterziehen. Davon betroffen waren auch Fluggäste am 15. Oktober 2019 bei ihrer Reise von Kapstadt über Zürich nach Stuttgart. Der Anschlussflug von Zürich nach Stuttgart war annulliert worden.
Mit einem Ersatzflug kamen die Passagiere acht Stunden verspätet in Stuttgart an. Von Swiss International forderten sie Entschädigungen und traten diesbezügliche Ansprüche an den Dienstleister Flightright ab. Da Swiss International nicht zahlte, zog Flightright vor Gericht.
Wie schon das Landgericht Stuttgart wies nun aber auch der BGH die Klage ab. Die Annullierung des Flugs habe auf „außergewöhnlichen Umständen“ beruht, für die Swiss International nicht verantwortlich sei. Daher müsse die Fluggesellschaft keine Fluggastentschädigung zahlen.
Zwar entbinde ein technischer Defekt normalerweise nicht von der Entschädigungspflicht (so BGH-Urteil vom 15. Januar 2019, Az.: X ZR 17/18). Hier habe es aber einen Triebwerksausfall bei einer anderen Maschine des gleichen Typs gegeben. Swiss International habe daher die Hälfte ihrer Kurz- und Mittelstreckenmaschinen einer außergewöhnlichen Inspektion unterzogen. Dies sei ein Vorkommnis, dessen Auswirkungen eine Fluggesellschaft nicht mehr auffangen kann und das daher „nicht zur normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens gehört“.
Ausdrücklich betonten die Karlsruher Richter, dass dies auch dann gilt, wenn Swiss International zu dem Sicherheits-Check nicht verpflichtet war. Der Triebwerksschaden einer Maschine des gleichen Typs habe ausreichenden Anlass zu der Inspektion gegeben, um die Sicherheit der Fluggäste nicht zu gefährden.
„Der Beklagten konnte nicht angesonnen werden, zur Vermeidung von Verspätungen und Annullierungen mit der Untersuchung einzelner Maschinen zuzuwarten und die hierdurch entstehenden Risiken für die Sicherheit der Fluggäste in Kauf zu nehmen“, heißt es in dem Karlsruher Urteil. Wegen der hohen Zahl der betroffenen Flugzeuge sei es Swiss International auch nicht möglich gewesen, Annullierungen und Verspätungen zu vermeiden.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock