UNTERHALTSRECHT
Für in Portugal lebende Kinder gibt es Anspruch auf Unterhaltsvorschuss
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Leipzig (jur). Erhält ein in Deutschland arbeitender alleinerziehender Elternteil vom Ex-Partner keinen Kindesunterhalt für die im EU-Ausland lebenden Kinder, muss der deutsche Staat mit einem Unterhaltsvorschuss einspringen. Auch wenn das nationale Unterhaltsvorschussgesetz nur Unterhaltsleistungen für in Deutschland lebende Kinder vorsieht, muss der Unterhaltsvorschuss vorrangig nach dem EU-Freizügigkeitsrecht gezahlt werden, urteilte am Montag, 18. Dezember 2017, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: 5 C 36.16).
Konkret ging es um zwei in den Jahren 2003 und 2005 geborene und zunächst in Deutschland lebende Kinder und ihre alleinerziehende Mutter. Nach der Trennung vom Vater nahm die Mutter eine Berufstätigkeit in Deutschland auf. Seit Ende 2009 leben die Kinder bei ihrer Oma in Portugal. Die Mutter hat dort einen Zweitwohnsitz. Als der Vater keinen Kindesunterhalt mehr leistete, beantragte die Mutter für ihre Kinder in Deutschland einen Unterhaltsvorschuss.
Bis 1. Juli 2017 konnten Kinder bei säumigen Unterhaltszahlern einen staatlichen Unterhaltsvorschuss von bis zu 72 Monaten erhalten. Kinder ab dem zwölften Lebensjahr waren davon ausgeschlossen. Seit der gesetzlichen Neuregelung gibt es keine zeitliche Begrenzung mehr. Auch Jugendliche von zwölf bis 18 Jahren können die Hilfeleistung beanspruchen, es sei denn, sie erhalten Hartz-IV-Leistungen.
Anspruch nur für in Deutschland lebende Kinder
Hier wurde der Unterhaltsvorschuss jedoch von den deutschen Behörden abgelehnt, weil die Kinder in Portugal leben. Der Anspruch bestehe nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nur für in Deutschland lebende Kinder.
Das Bundesverwaltungsgericht urteilte, dass den Kindern dennoch der Unterhaltsvorschuss zusteht. Denn es greife das hier vorrangige EU-Freizügigkeitsrecht. Danach müsse ein Arbeitnehmer, „der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich die gleichen sozialen Rechte wie die inländischen Arbeitnehmer“ haben. Maßgeblich sei dabei das Arbeitsverhältnis hier der Mutter in Deutschland. Darauf könnten sich ihre Kinder auch dann berufen, wenn sie in Portugal bei der Großmutter leben.
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit
Die Leipziger Richter verwiesen zudem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach stelle es eine mittelbare Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit dar, wenn ein Familienmitglied eines Arbeitnehmers ohne sachlichen Grund von sozialen Vergünstigungen – wie hier der im Streit stehende Unterhaltsvorschuss – ausgeschlossen wird.
Entscheidend für den Anspruch auf den Unterhaltsvorschuss sei, dass „eine nicht nur geringfügige Erwerbstätigkeit“ in Deutschland besteht. „Denn diejenigen, die durch ihre Abgaben zur Finanzierung der Leistungen beitragen, sollen auch in den Genuss der Leistungen kommen“, so das Bundesverwaltungsgericht.
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