VERFASSUNGSRECHT
Gefängnis und Gericht dürfen defektes Notrufsystem nicht ignorieren
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Karlsruhe (jur). Die Notrufanlage in einer Justizvollzugsanstalt muss funktionieren. Rügen Häftlinge vor Gericht, dass dies nicht der Fall ist, muss das Gericht dies zeitnah prüfen und rasch entscheiden, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 23. Juni 2022, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 2 BvR 167/22). Es rügte damit das Landgericht Regensburg, das einen solchen Eilantrag eines Häftlings zumindest sieben Monate lang nahezu untätig hatte liegen lassen.
Im Streitfall hatte ein Häftling der Justizvollzugsanstalt Straubing gerügt, die Notrufanlage des Gefängnisses sei seit Monaten kaputt. Reaktionen auf einen Knopfdruck würden gar nicht oder erst nach 20 bis 30 Minuten erfolgen. Nachdem erneut ein Notruf ohne Reaktion geblieben war, beantragte er am 23. September 2021 einstweiligen Rechtsschutz beim Landgericht Regensburg.
Gleich am Folgetag forderte das Landgericht die Gefängnisleitung zu einer Stellungnahme auf. Diese räumte Störungen ein. Es sei derzeit nicht immer am Computer ersichtlich, von wo ein Notruf komme. Dies werde aber durch ein rotes Notlicht ausgeglichen, das über der betreffenden Zellentür leuchte. Danach geschah am Landgericht nichts mehr.
Auch später rügte der Häftling aber mehrfach, dass das Gefängnispersonal auf seine Notrufe und die eines Zellennachbarn nicht oder nicht zeitnah reagiere. Schließlich rief er das Bundesverfassungsgericht an.
Dies gab seiner Beschwerde nun statt. „Das Unterlassen des Landgerichts, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seiner Dringlichkeit als Eilantrag entsprechend zu behandeln, verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz.“
Der Häftling habe mehrfach auf die nach seinen Angaben unzureichenden Reaktionen auf Notrufe hingewiesen. Im Dezember 2021 sowie im März und April habe er auch mehrere formelle Verzögerungsrügen erhoben. Dennoch habe das Landgericht noch immer nicht über den Antrag auf Eilrechtsschutz entschieden. Dies werde den Anforderungen an ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren nicht mehr gerecht.
„Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Notrufsystem auf den Hafträumen für Gefangene in Notfällen und Gefahrsituationen eine wichtige Möglichkeit der Kommunikation darstellt, so dass eine zügige Bearbeitung des Eilrechtsschutzantrages geboten gewesen wäre“, betonte das Bundesverfassungsgericht in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 25. Mai 2022.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock